SRF Kultur: Von 1947 bis 1949 haben Sie in Zürich Schauspiel studiert. Woher kam die Begeisterung für diesen Beruf?
Monica Gubser: Meine Mutter war Pianistin, meine Grossmutter Sängerin – Kunst spielte in meiner Familie eine wichtige Rolle. Als ich klein war, trug mir meine Oma Lieder auf der Laute vor, die ich bald auswendig lernte. Bei schlechtem Wetter verbrachte ich die Tage in unserem Wohnzimmer, wo ich den riesigen Vorhang zog und referierte – das war meine Bühne. Ich wusste, ich möchte einmal «Spielerin» werden, hatte jedoch keine Ahnung, was das bedeutet.
Mit 13 Jahren besuchte ich mit der Schulklasse die Theateraufführung «Der Sturm» von Shakespeare. Die geheimnisvolle Atmosphäre faszinierte mich. Als ich die Schauspieler in ihren Kostümen sah, wurde ich unruhig und wusste: Auf diese Bühne möchte ich.
Wie gelang Ihnen als junges Mädchen kurz nach Kriegsende der Einstieg in die Schauspielerei?
Wie zu der Zeit üblich, verbrachte ich ein Jahr in einem Institut in der Westschweiz. Ein weiteres hätte ich anhängen sollen. Da bat ich meine Eltern, einer Fachperson vorsprechen zu dürfen, um Rückmeldung zu erhalten, ob ich schauspielerisches Talent habe.
So trug ich Ernst Ginsberg, dem damaligen Oberspielleiter am Basler Stadttheater – ziemlich naiv – ein paar Gedichte vor. Das sei nett, meinte dieser, doch müsse ich erst eine Rolle einstudieren. Beim nächsten Treffen trug ich zwei Monologe aus «Die Jungfrau von Orléans» vor. Seine Reaktion: Ich sei ich zu jung und solle wiederkommen, wenn ich 18 sei.
Da riet mir mein Vater, ein Arzt, eine zweite Meinung einzuholen. Der Direktor des Schauspielhauses Zürich beschied dann meiner Mutter: «Dieses Kind müssen Sie nicht mehr ins Institut schicken, das gehört auf eine Bühne!» Ich wurde zum Studium aufgenommen – und eine Woche später begann das Semester. Mein Leben änderte sich innerhalb weniger Tage vollständig.
Ihre Eltern haben Sie also in Ihren Plänen unterstützt. Äusserten sie nie Bedenken bezüglich Ihrer Berufswahl?
Doch, sie warnten mich: «Du wirst hart arbeiten müssen und wenig Geld verdienen – Hollywood hat nicht auf dich gewartet.» Dennoch unterstützten sie mich. Sie liessen mich als 16-Jährige ziehen. Mein Vater mietete für mich ein möbliertes Zimmer und bezahlte das Essen – Ende der 1940er-Jahre! Am Wochenende ging ich jeweils nach Hause.
Ich lernte viele neue Menschen kennen; eine strenge, wunderschöne Zeit. Wir wurden in Akrobatik, Ballett und Fechten unterrichtet. Bald nach der Jahresprüfung wurde ich Elevin am Schauspielhaus, wo ich 1949 meine erste Rolle als Page des Don Carlos hatte. Eine kleine Rolle, aber ein grosses Ereignis für mich.
Hat es dann gleich geklappt mit einem festen Bühnenengagement?
Ja, nach der Abschlussprüfung wurde ich vom Stadttheater Basel engagiert. Als Anfängerin kriegte ich dort nur kleinere Rollen. Später empfahl mir Egon Karter, nach Solothurn zu gehen – an ein kleines, gutes Theater in der Provinz.
Ich tat wie geraten und stand fortan dauernd auf der Bühne, auch in grösseren Rollen wie der Antigone oder der Hermia aus dem «Sommernachtstraum». Bis auf Karfreitag und Heiligabend hatten wir während der Saison jeden Abend Vorstellung.
Alle 14 Tage spielten wir ein neues Stück. Vormittags waren Proben, Abends stand ich auf der Bühne. Dazwischen musste ich mich um die Kostüme kümmern. Damals musste man bei allen modernen Stücken selber für die Kostüme aufkommen. Nach den Aufführungen gingen wir jeweils ins Zunfthaus zu Wirthen, wo ich auch meinen zukünftigen Mann kennenlernte.
Mit der Heirat tauschten Sie die Bühne gegen Wirtsstube und Kinderzimmer ein. Fiel dieser Entscheid schwer?
Nicht im Geringsten. Ich wollte eine Familie. Mit der Heirat fing ein anderes Leben an: Von den Schwiegereltern übernahmen wir das Zunfthaus in Solothurn und bekamen drei Knaben. Später führten wir fast 25 Jahre das Restaurant «Chez Derron», bis wir dieses verkauften und sich unsere Wege trennten.
Gegen Ende dieser Zeit besuchte der Regisseur Jeanpierre Heizmann unser Restaurant und bot mir eine Filmrolle an. Ich konnte mir nicht vorstellen, in den Beruf zurückzukehren und lehnte mehrmals ab. Doch er liess nicht locker. Also willigte ich am Ende ein und spielte Anfang der 1980er-Jahre meine erste Filmrolle in «An allem schuld».
Darauf wurde ich erneut vom Theater Solothurn engagiert und stand mit 65 Jahren wieder auf der Bühne und vor der Filmkamera – nach 30 Jahren in der Gastronomie konnte ich nicht still zuhause herumsitzen.
70 Jahre liegen zwischen Ihren beruflichen Anfängen und heute – wie hat sich das Schauspielhandwerk, die Szene verändert?
Heute empfinde ich das Theater oft als oberflächlich. Der Trend zum Kick und die zunehmende Gewaltdarstellungen – auch beim Film – ertrage ich nicht mehr.
Hinzu kommt der Umgang mit Äusserlichem: Früher wurde engagiert, wer begabt war. Standen zwei Mädchen zur Auswahl, wurde die begabtere bevorzugt und nicht diejenige, die besser aussah. Heute höre ich oft den Satz «Ich probiere es mal mit Schauspielerei». Doch nimmt man den Beruf ernst, ist das harte Arbeit. Ich selber wurde mit dem Alter strenger mit mir. Das Schöne ist: Die Jungen heute sind selbstbewusster.