Für wen machen die Theater ihr Theater? Für das Publikum! Doch das Publikum sieht das manchmal anders und fühlt sich zu wenig angesprochen. Das Programm sei zu woke, zu divers und gehe am Zürcher Bürgertum vorbei, monieren Teile des Schauspielhaus-Publikums und der lokalen Presse.
Auf Festivals und in der überregionalen Presse kommt das Programm indes gut an. Um Klarheit zu schaffen, lud das Schauspielhaus zum Publikumsgipfel. Daneben gab es letztes Jahr eine Umfrage, deren Resultate online einzusehen sind.
Wer ist «das» Publikum?
Dass es «das» Publikum nicht gibt, war wohl die zentrale Erkenntnis an diesem Abend. Schauspielhaus-Kointendant Nicolas Stemann hielt fest, dass sich die «Zürcher Bevölkerung» nicht einfach mit einer bestimmten bürgerlichen Schicht gleichsetzen lässt. «Wenn man da jetzt eine Öffnung anstrebt, wird es auf einmal sehr kompliziert.»
Wer ist die Stadt, wer ist gemeint und wer wird gehört? Diese Debatte wird zurzeit an etlichen Stadttheatern geführt. Beim Zürcher Publikumsgipfel wurde sie zu einer Leitplanke der Diskussion.
Ein erster Schritt zu einem gemeinsamen Austausch
Der Abend glich am Ende allerdings eher einer Podiumsveranstaltung. Dafür sorgte schon das Setting: mit acht Vertretern und Vertreterinnen des Schauspielhauses auf der Bühne und dem Publikum im Saal. In drei Gesprächsblöcken diskutierten sie das künstlerische Programm, den Stadttheater-Begriff und das Theater als Begegnungsort. Anschliessend öffnete Moderator Tobi Müller die Runde für Fragen.
Relativ lange Panels, relativ wenig Raum für die Publikumsbeteiligung. Gleichwohl keine verpasste Chance, sondern vielleicht ein Anfang: ein erster Schritt auf dem Weg zu einem wirklichen Austausch.
Eine diverse Stadt braucht ein diverses Haus
Das Haus war zu rund zwei Dritteln voll: mit älterem und jüngerem Publikum. Es gab diejenigen, die sich Stückaufführungen wünschen, wie sie vor vielen Jahren gespielt wurden. Es gab diejenigen, die sich noch nicht zur Kulturelite zählen, aber «vielleicht langsam dazu werden, dank euch», dank des Schauspielhauses. Es gab diejenigen, die dazu aufriefen, nicht allen gefallen zu wollen. Und diejenigen, die vorschlugen, für jede Inszenierung ein gesondertes «Zielpublikum» zu benennen.
Hinter allem steht einmal mehr die grosse Frage: Wer fühlt sich angesprochen, wer sieht sich ausgeschlossen? Und damit verbunden: Wer ist die Stadt und wessen Stimme wird hörbar? Hierbei muss ein Stadttheater heute eine ganz andere Funktion ausüben als noch vor 70 Jahren. Da zeigte sich auch viel Rückhalt aus dem Publikum – und beileibe nicht nur aus der jungen Generation.
Viele offene Fragen
Daneben wurden auch praktische Punkte angesprochen: die schlechte Akustik im Foyer, oder dass es schön wäre, wenn man die Liedtexte im Programm nachlesen könnte.
Offen blieben Fragen, wie das Haus sein Publikum besser erreichen könne. Vielleicht mit mehr Gewicht auf dem Ensemble, mit dem sich die Stadt identifizieren kann und das sie immer neu sehen will?
Dazu gab es zuletzt noch ein Versprechen: Die kommende Saison soll mit einem richtig grossen Ensemblestück eröffnet werden.