Barbara Frey war die erste Frau als Direktorin des Zürcher Schauspielhauses. Zum Abschied gab's einen Extra-Abend mit zehn Kürzest-Inszenierungen à zehn Minuten. Er hat die prägenden Regie-Handschriften der Ära Frey noch mal versammelt.
Handschriften, Handschriften, Handschriften
Nicht die grosse Ego-Show gab es also, sondern sie als Erste unter Gleichen: Das passt zur scheidenden Intendantin. Barbara Frey ging es nicht um das grosse Getöse, sondern um das Interesse an der Arbeit und der Kunst.
Barbara Frey war die Originalität einer Handschrift wichtig, ihre künstlerische Qualität. Sie hat nicht apodiktisch Ästhetiken gegeneinander ausgespielt.
Es war am Abschiedsabend nochmal zu erleben: wie breit aufgestellt diese Regie-Handschriften sind. Herbert Fritsch, der einfach nur die Vokabel «Tschüss» durchdeklinieren liess, aufs Skurrilste und Kauzigste.
Oder René Pollesch, der einen Theorie-Gedankensturm zum Thema Abschiednehmen entfachte. Es war eine Qualität der letzten Jahre, dass Barbara Frey solche Vielseitigkeit nebeneinander stehen liess, auch neben ihrer eigenen, achtsam feinzeichnenden Ästhetik.
Musikalität und Erfindungsgeist
Augenfällig wird in der Rückschau, wie eminent musikalisch hier vieles konzipiert war. Da sind Namen zu nennen wie Stefan Pucher oder Ruedi Häusermann – neben vielen anderen.
Wenn wir in Zukunft auf die Ära Frey zurückblicken, werden wir diese Jahre auch als musikalische Jahre in Erinnerung haben.
Der Klang des Kratzens
Barbara Frey ist selbst von Haus aus Musikerin, Schlagzeugerin, zum Abschied trat sie nochmal mit dem Schlagzeugkünstler Fritz Hauser auf. Sie taten nichts, als über eine Tischfläche zu kratzen, daran zu schaben, und daraus die wunderlichsten Rhythmen und Klänge zu generieren.
Die zauberhafte Geräuschkomposition, zu der schattenhafte Figuren über die Bühne huschten, zeigt den tüftlerischen Erfindungsgeist Freys, das Interesse an der strengen Form und den Spannungen, die sich aus kleinsten Verschiebungen ergeben.
So hat sie auch Shakespeare inszeniert. Oder James Joyce.
Eine Reihe von Rausschmissen
Barbara Frey hat Ruhe ins Schauspielhaus gebracht. 2004 ging Christoph Marthaler im Streit – unter anderem, weil die neue Spielstätte im Schiffbau wesentlich teurer wurde als geplant. Ohne Schiffbau lässt sich Theater in Zürich aber nicht mehr vorstellen.
Marthalers Weggang wurde vielfach bedauert. Die Älteren erinnern sich an den gloriosen Rausschmiss von Peter Löffler 1970 (mit nachmaligen Stars wie Peter Stein und Bruno Ganz im Ensemble).
Nach Marthaler hat der kaufmännische Direktor Andreas Spillmann als Interimsdirektor das Haus saniert und 2005 mit schwarzen Zahlen seinem Nachfolger Matthias Hartmann überlassen, der in vier Jahren zwei kaufmännische Direktoren verschliss.
«Menschen zusammenführen»
Frey baute ein Ensemble auf, suchte die Zusammenarbeit mit den Autoren-Dramaturgen Thomas Jonigk und Lukas Bärfuss.
Sie holte Regisseure wie Stefan Kaegi, Werner Düggelin, Frank Castorf, zeigte aber auch Handschriften, die in Zürich zum ersten Mal zu sehen waren: Dušan David Pařízek, Karin Henkel oder die blutjungen Heike M. Goetze, Bastian Kraft, Daniela Löffner.
Sie wolle «Menschen zusammenführen, die nicht von selbst zusammenkommen würden», hat Barbara Frey bei ihrem Antritt versprochen. Und es hat sich am Samstag aufs Schönste erwiesen: Dies ist ihr – zum Zürcher Theaterglück – gelungen.