Noch nicht alle sieben Hausregisseurinnen und -regisseure haben Wohnungen in Zürich gefunden. Sie sind aber wild entschlossen, für die nächsten drei Jahre ihren Lebens- und Schaffensmittelpunkt an die Limmat zu verlegen. Um gemeinsam dort ein Stadttheater der Zukunft zu probieren.
Das ist in Zeiten des Kunst- und Kulturjetsets alles andere als selbstverständlich und die beiden neuen Direktoren des Schauspielhauses Zürich sind sichtlich stolz auf die Truppe aus internationalen Künstlerinnen, die sie verpflichten konnten. Und es ist Programm.
Raus aus dem Hamsterrad
Zum Konzept der neuen Leitung gehört auch: weniger Eigenproduktionen, mehr Koproduktionen. Einfach eine Premiere nach der anderen, inszeniert von Regisseuren und Regisseurinnen, die nur in die Stadt kommen, um hier für ein paar Wochen zu arbeiten und dann ans nächste Theater weiterzuziehen, das ist am Schauspielhaus Zürich bald passé.
Was von den neuen Hausregisseurinnen und -regisseuren zu erwarten ist, wird Mitte September in einem fünftägigen Eröffnungsfestival vorgestellt: Produktionen, die teilweise schon weit gereist sind, die von Festivals oder anderen Stadttheatern in München, Hamburg, aber auch Warschau oder aus New York kommen. Nicht alle Künstlerinnen sind genuine Theaterschaffende, einige kommen aus der bildenden Kunst oder dem Tanz.
Kollektiver, diverser und internationaler soll das Schauspielhaus Zürich werden. Die beiden Direktoren Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg kennen sich aus einer jahrelangen Zusammenarbeit und haben zuletzt an den Kammerspielen München gearbeitet haben.
Auch dort wurde nach neuen Strukturen und Ästhetiken gesucht. In Zürich wollen sie nun einen Schritt weitergehen.
Umbruch der Theaterlandschaft
Das neue Team am Schauspielhaus ist nicht das einzige, das ab nächster Spielzeit die Theaterstadt Zürich neu erfinden will. Zeitgleich wird auch am Theater Neumarkt ein Kollektiv die Ruder übernehmen und auch die Dramaturginnen Hayat Erdogan, Tine Milz und Julia Reichert treten internationaler und diverser auf.
Mit einem Manifest für ein «Unbedingtes Theater» geben sie sich selbst den Rahmen und gehen auf Tuchfühlung mit der Stadt.
Zürich steht also ein Umbruch bevor wie er lange nicht war. Wenn dann im nächsten Jahr auch noch das grosse Haus für die freie Szene, die Gessnerallee, von einem jungen Kollektiv übernommen wird, wird sich das Publikum erstmal neu sortieren müssen. Auf neue Impulse und einen breiten Theaterbegriff kann es sich schon mal freuen.