Jeden Tag von zehn bis fünf arbeitet der holländische Künstler Nick Steur an seinem waghalsigen Projekt: Auf dem Basler Barfüsserplatz versucht er, tonnenschwere Granitsteine so aufeinander zu stapeln, dass sie ohne technische Unterstützung halten.
Es ist eine schweisstreibende, an Sisyphos erinnernde Arbeit für den Künstler. Für das Publikum aber hat das Projekt im öffentlichen Raum einen speziellen Sog: Denn wenn der Performer es schafft, eine Steinskulptur aufzubauen, die scheinbar der Schwerkraft trotzt, verbreitet diese einen ganz besonderen theatralen Zauber.
Starke formale Handschriften
Neben Nick Steurs Steinskulpturen ist das Theaterfestival Basel mit einer grossen Vielfalt an unterschiedlichen künstlerischen Positionen gestartet.
Die ungarische Choreographin Eszter Salamon lotete mit einer so düsteren wie formal starken Eröffnungsproduktion den Zusammenhang von aussereuropäischen Tänzen und Ritualen und den seit Jahrzehnten stattfindenden Kriegen, an denen der Westen in Afrika, Asien und dem Nahen Osten beteiligt war, aus.
Manchen war dieser Auftakt zu wenig festlich, zu wenig kulinarisch. Doch genau diese Erwartung wollte der diesjährige Festivalleiter Tobias Brenk offensichtlich unterlaufen. Sein Programm ist kompakt, setzt auf starke künstlerische Positionen und stellt aktuelle politische Fragen.
Inspirierende Entdeckungen
Jeden Tag gibt es eine neue Premiere in einem der beteiligten Theaterhäuser der Region. So wird sich über die zwölf Tage ein Puzzle aus unterschiedlichen Handschriften und künstlerischen Welterkundungen ergeben.
Neben bekannten Namen wie Alain Platel, Lola Arias oder Kornel Mundruszo gibt es auch Künstler und Künstlerinnen zu entdecken, die noch nicht zu den Grossen der internationalen Festivalszene gehören.
Die griechische Choreographin Kat Valastur etwa hat mit dem Performer Enrico Ticconi ein faszinierendes Solo erarbeitet, das sie unter dem Titel «Rasp your soul» am Festival präsentieren.
Theater ist eine körperliche Erfahrung
Wie Theater die Wahrnehmung beleben kann, zeigen gleich mehrere Projekte: Die belgische Performerin Kate McIntosh hat mit «In many hands» das Publikum auf eine Erforschungsreise aller Sinne eingeladen.
Auch hier ist die Ausgangssituation einfach: Das Publikum sitzt Schulter an Schulter nebeneinander, es werden unterschiedliche Gegenstände von einer Hand zur nächsten gereicht. Da machen Steine, Pflanzen aber auch Glitschiges und Muffiges die Runde – und in der gemeinsamen Erfahrung bildet sich aus den Einzelnen eine Gruppe.
Ergänzen und widersprechen
Für den Festivaldirektor Tobias Brenk ist der Reiz eines Festivals, dass sich die unterschiedlichen Produktionen gegenseitig ergänzen und auch widersprechen, damit sich Publikum danach über das Gesehene austauschen kann.
Ob ein Festival gelungen sei oder nicht, könne man deshalb oft erst Monate später wissen: «Wenn ein Thema oder eine Fragestellung hängengeblieben ist, sodass man sich auch lange nach dem Festival noch damit beschäftigt, dann ist ein Festival geglückt.»