«Eierlikör oder Frucade?» – so begrüsste Hermes Phettberg seine Gäste in der Late-Night-Parodie «Phettbergs Nette Leit Show». In den 1990er-Jahren war der korpulente Österreicher eine Art kluger TV-Kauz – und damit Kult. Jetzt ist der brillante Entertainer im Alter von 72 Jahren gestorben. Der österreichische Schriftsteller Franzobel schrieb 1999 ein Theaterstück über Phettberg und erinnert sich das Wiener Original zurück.
SRF: Worin liegt für Sie die Bedeutung dieser Figur Hermes Phettberg?
Franzobel: Hermes Phettberg ist eine Kunstfigur. Er hat seinen Namen gewählt, nachdem er bei den Weightwatchern teilgenommen hat und es ihm so auf die Nerven gegangen ist, dass man dort bei jeder Veranstaltung seinen Namen und den jeweiligen Gewichtsstand sagen musste.
Was ihn für mich so herausgehoben hat, ist, dass er es geschafft hat, das Allerintimste, Allerprivateste, was ihn gerade beschäftigt hat – sein Sadomasochismus, seine Fresssucht, seine unglückliche Kindheit – mit einem aktuellen politischen Thema kurzzuschliessen. Insofern war er eine völlig einzigartige Erscheinung, die es in Österreich so vorher nicht gegeben hat und nachher auch nicht mehr.
Kann man ihn auch als tragische Figur bezeichnen? Man hatte immer ein bisschen das Gefühl, dass er in der Öffentlichkeit vorgeführt wurde.
Ob da alles selbstbestimmt war, was er gemacht hat, kann ich nicht beurteilen. Ich glaube, er hat die Aufmerksamkeit schon genossen. Was für Phettberg vielleicht typisch ist: Er war ein extrem liebesbedürftiger Mensch. Ein Mensch, der Aufmerksamkeit gesucht hat, der durch diese Öffentlichkeit, die er bekommen hat, kurzzeitig vielleicht auch glücklich geworden ist.
Die ganze Bevölkerung hat ihn irgendwie gemocht, weil er so unverschämt ehrlich gewesen ist.
Aber das war nur eine Phase von vielleicht zwei Jahren. Danach ist er mehr oder weniger wieder in der Bedeutungslosigkeit, aus der er gekommen ist, versunken. Sein Lebensdrama war, dass seine Liebe nie erfüllt wurde. Er hat, glaube ich, in seinem ganzen Leben nie eine Beziehung gehabt.
Wie war das Verhältnis von Österreich zu ihm? Ich habe den Satz gelesen «Österreich brauchte ihn». War das so?
Es war schon erstaunlich, dass ein asozial wirkender Mensch, der eine Zumutung darstellt und überhaupt nicht dem entspricht, was man sonst in Medien sieht, von allen geliebt wird. Die ganze Bevölkerung hat ihn irgendwie gemocht, weil er so unverschämt ehrlich gewesen ist. Das hat Österreich schon ein wenig bereichert. Es hat dem Land gutgetan, weil man gesehen hat, was für Menschen toleriert werden. Das sieht man jetzt auch an den ganzen Kommentaren in den Nachrufen.
Die Österreicher haben gespürt, dass er ein sehr wahrhaftiger, authentischer Mensch ist.
Es hat sich zwar letztlich keiner um ihn gekümmert – und er ist am Ende verkümmert, im wahrsten Sinne des Wortes. Prinzipiell war das schon eine grosse Sympathie zwischen Österreich und ihm.
Was vielleicht auch einzigartig ist: Phettberg war nie aggressiv. Er war ein völlig guter Mensch, der nie irgendetwas Böses über irgendjemanden gesagt hat. Und das haben die Österreicher gespürt: Dass er ein sehr wahrhaftiger, authentischer Mensch ist in all seinem Ringen um Glauben, Liebe und Anerkennung.
Das Gespräch führte Michael Luisier.