Den spanischen Vornamen trägt Joaquin Phoenix, weil er 1974 in Puerto Rico das Licht der Welt erblickte. Dort arbeiteten seine Eltern als Missionare für eine evangelikale Sekte, die sich «Children of God» nannte.
Den missionarischen Eifer, für seine Überzeugungen einzustehen, hat der jüngere Bruder von River Phoenix also gewissermassen mit der Muttermilch aufgesogen. Doch dazu später …
Denn bekannt geworden ist der Phoenix-Clan, der 1978 nach Los Angeles umgesiedelt war, primär durch die Schauspielerei. Zunächst war es River, der älteste Spross der sechsköpfigen Familie, welcher in Hollywood für Aufsehen sorgte.
Vom unbeschriebenen Blatt zur grossen Nummer
Aus dem Schatten des grossen Bruders, der spätestens mit «My Private Idaho» sein Talent bewiesen hatte, trat Joaquin erst nach dessen tragischem Drogentod 1993. Kurz zuvor hatte River den bis dato nicht annähernd so erfolgreichen 19-Jährigen zum Weitermachen in der Showbranche motiviert: «Das ist deine Bestimmung.»
Der viel zu früh Verstorbene sollte Recht behalten: Inzwischen hat der jüngere der Phoenix-Brüder seinen blutsverwandten Förderer längst überflügelt. Nachdem Joaquin den Künstlernamen Leaf, den er als Kinderdarsteller verwendete, abgestreift hatte, ging es Mitte der 90er-Jahre richtig los. Aus dem unbeschriebenen Blatt wurde dank Arthouse-Hits wie «To Die For» oder «8 mm» rasch ein Indie-Liebling.
Zum Star avancierte das Charaktergesicht aber erst in diesem Jahrtausend. Für seinen Part in «Gladiator» erhielt er 2001 die erste von insgesamt vier Oscarnominierungen. Entgegennehmen durfte er das Goldmännchen zwar erst 2020 als «Joker». Doch schon als Johnny Cash in «Walk the Line» und als Sektenopfer in «The Master» hatte er preiswürdige Performances abgeliefert. Letztere Rolle führte ihn 2012 in Venedig zu höchsten Ehren: dem Gewinn der Coppa Volpi.
Bierernst vorgetäuschter Rücktritt
Die Branche atmete damals auf. Schliesslich hatten zuvor viele jahrelang geglaubt, der Schauspieler Joaquin Phoenix existiere nicht mehr. Zumal der Ausnahmekönner 2008 bekannt gegeben hatte, er ziehe sich aus dem Filmgeschäft zurück, um sich der Musik zu widmen. Ein Karriereschritt, der für Fans seines Country-Gesangs in «Walk the Line» zwar gewagt, aber durchaus nachvollziehbar erschien.
Doch statt mit sonorer Stimme zu bezirzen, schockte der Provokateur das Publikum mit ungepflegtem Look und vernuschelten Rap-Phrasen. Erst im September 2010 stellte sich heraus, dass er sich mit seinem Kumpel Casey Affleck einen Streich erlaubt hatte.
Dessen umstrittene Mockumentary «I’m Still Here», in der das Ganze mündete, beweist zweierlei: Zum einen, dass Phoenix gerne andere an der Nase herumführt. Zum anderen aber auch, dass er es liebt, für die Kunst die eigene Komfortzone zu verlassen.
Querkopf mit Sendungsbewusstsein
Sein wahres Privatleben pflegt Phoenix erfolgreich abzuschirmen. Ob er Aktrice Rooney Mara, mit der er seit vielen Jahren liiert ist, inzwischen geheiratet hat, wissen zum Beispiel nur die engsten Freunde. Klar ist bloss: Die beiden erwarten gerade das zweite Baby.
Kein Geheimnis macht Phoenix um seine Überzeugungen: Der Tierrechtsaktivist, der bereits mehrere Dokus über den globalen Fleischkonsum produziert hat, lebt seit seinem dritten Lebensjahr vegan. Vielleicht erklärt das seine vernünftige Abneigung, sich von Hollywoods Kapitalisten als Cash Cow melken zu lassen.