Da standen sie, wie zwei Urtiere aus Metall und begrüssten das Solothurner Premierenpublikum, die beiden Schaufeln einander zugeneigt: Riesige Bagger waren zur Schweizer Premiere des Spielfilms «Bagger Drama» aufgefahren worden.
«Nur» die Schweizer Premiere war es, denn die Weltpremiere war schon letzten Herbst am Filmfestival von San Sebastián im spanischen Baskenland. Eigentlich – so erzählt Piet Baumgartner am Tag nach der Premiere im Gespräch – hatte er damit gerechnet, den Film in Solothurn uraufzuführen.
Und er hätte sich auch darüber mächtig gefreut. Denn er hatte angenommen, dass diese «typisch schweizerische Familiengeschichte» niemanden ausserhalb der Schweiz interessieren würde.
Preisregen vor der Schweizer Premiere
Falsch gedacht: Der Film wurde nicht nur nach San Sebastián eingeladen, sondern wurde dort auch ausgezeichnet mit dem «New Directors Award». Es folgte die Einladung ans Filmfestival Efebo d'Oro in Palermo – und eine lobende Erwähnung. Zeitgleich zur Solothurner Premiere erhielt er Film am wichtigen Nachwuchsfestival Max Ophüls in Saarbrücken gleich zwei der grossen Auszeichnungen.
«Ich habe das alles noch gar nicht richtig verarbeitet», sagte Baumgartner. Aber die Schweizer Premiere sei für ihn die wichtigste Vorstellung. Weil hier seine Freunde, Bekannte und vor allem die Familie den Film sahen. Und vor deren Reaktion auf den Film habe er doch etwas Angst gehabt: Denn obwohl fiktionalisiert, hat Baumann im «Bagger Drama» viel von seiner eigenen Lebensgeschichte in den Film gepackt. Es sei seine persönlichste Arbeit bisher, sagt der Filmemacher dazu.
Von der Unfähigkeit, Gefühle auszusprechen
Piet Baumgartners Film ist eine sehr feine und leise Familiengeschichte. Ein tolles Ensemble verkörpert die Familie, die soeben eine Tochter beziehungsweise Schwester wegen eines Kanu-Unfalls verloren hat: Bettina Stucky spielt Mutter Conny, Phil Hayes den Vater Paul und Vincent Furrer Sohn Daniel.
Da, wo ich herkomme, ist der Glaube an die Technik gross.
Alle drei trauern, aber alle auf andere Art. Darüber zu sprechen, fällt ihnen schwer. Überhaupt wird nicht viel ausgesprochen in dieser Familie. Jeder macht die Trauer mit sich allein aus, Vater und Sohn schaffen es nicht, ein Gespräch über die mögliche Übergabe der Bagger-Firma zu führen und dass Daniel schwul ist, wird sowieso nicht ausgesprochen.
Choreografie der Maschinen
Statt miteinander zu sprechen, lassen die drei lieber die Bagger tanzen. Die Maschinen sind im Film ein wichtiges visuelles Element. «Da, wo ich herkomme», sagt Baumgartner, «ist der Glaube an die Technik gross. Technik heisst Fortschritt und Technik kann alles lösen». Auch Familienprobleme.
Das Baggerballett fährt auf, Kieslastwagen fahren Ringelreihen, der Gabelstapler surrt durchs Bild. Und tatsächlich vermitteln sie etwas Tröstliches, etwas Schönes und Gutes im Film, diese Maschinen, die wir sonst eher als störende, laute Ungetüme wahrnehmen.
Piet Baumgartner ist es gelungen, eine feine Familiengeschichte zu erzählen, die einerseits in ihrer Anlage – Familienmitglieder haben Mühe, sich einander zu öffnen – universell ist. Andererseits aber hat der Film mit seinen visuellen Einfällen eine ganz eigenständige Handschrift, die überrascht und überzeugt.
Wenig verwunderlich und verdient ist es da, dass der Film – obwohl doch so schweizerisch in der Anlage, wie Baumgartner betont – international wahrgenommen und ausgezeichnet wird.