«Grâce à Dieu» ist ein Spielfilm, aber Fiktion ist daran wenig. Er erzählt den realen Fall um Kardinal Philippe Barbarin, Erzbischof von Lyon. Anfang Januar stand er in Lyon vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, Fälle von sexuellem Missbrauch verschwiegen zu haben.
Nun hat François Ozon eine fiktionalisierte Aufarbeitung des Falles an der Berlinale gezeigt. Die Personen der Kirche tragen im Film ihre echten Namen, die Opfer zumindest die Vornamen.
Eine E-Mail mit Zündstoff bleibt ohne Folgen
In einer Art filmischer Stafette zeichnet Ozon den Kampf dreier Männer nach: Sie alle waren in ihrer Jugend bei Bernard Preynat in der Pfadfindergruppe, alle wurden sie von ihm missbraucht.
Der Film beginnt mit einem E-Mail an die Diözese Lyon. Darin berichtet ein fünffacher Familienvater und gläubiger Katholik in sachlichen Worten Ungeheuerliches: Er sei als Minderjähriger in den späten 1980er-Jahren vom Priester Bernard Preynat sexuell missbraucht worden.
Man würde annehmen, so eine E-Mail schlüge ein wie eine Bombe. In den Medien schlagen die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche weltweit immer wieder hohe Wellen.
Ein langwieriger Kampf
Ozons Film zeigt aber, wie schwierig es tatsächlich für Missbrauchsopfer ist, gehört zu werden. Und wie lange es dauert, bis ein Aufschrei erfolgt.
Ozons Drama ist keine atemlose Recherche wie «Spotlight» , jener oscarprämierte Hollywood-Film, der ebenfalls von der Aufdeckung eines Missbrauchsskandals in der Kirche erzählt.
«Grâce à Dieu» zeigt vielmehr, wie repetitiv und ermüdend der Kampf der Missbrauchsopfer ist. E-Mail folgt auf E-Mail, Gespräch auf Gespräch – ohne dass wirklich etwas passiert.
Monate nach seiner Mail wohnt Alexandre Monate mit seiner Familie einer Messe bei, die Preynat im Beisein von Messdienern hält. Nun zeigt er den Fall, den er gerne innerhalb der Kirche behalten hätte, bei der Polizei an.
Die Kampagne kommt ins Rollen
Jetzt geht die Stafette weiter. Die Polizei landet bei François, einem weiteren Opfer, der nach anfänglichem Zögern aktiv wird. Zusammen mit seinem Freund, der ebenfalls von Missbrauch betroffen war, gründet er einen Verein und lanciert die Website «La parole liberée».
François sucht weitere Betroffene. Vor allem solche, bei denen die Vorwürfe an den Priester nicht juristisch verjährt sind. Die Kampagne kommt endlich ins Rollen.
Fokus auf einen Leidenden
Schliesslich fokussiert der Film in einem dritten Teil auf Emmanuel. Anders als die Whistleblower Alexandre und François ist Emmanuel keine Schlüsselfigur im realen Fall, sondern einfach ein Vereinsmitglied von vielen.
Ozon wollte hier wohl noch einen Kontrast zu den gutsituierten Familienvätern Alexandre und François einbauen. Emmanuel kommt im Leben nicht so gut zurecht, leidet ausserdem unter Epilepsie.
Ozons Film ist nicht einfach eine Doku-Fiktion: Er kommt seinen Figuren nah und zeigt, was dieser Missbrauch, der 30 Jahre zuvor geschah, mit Menschen, mit Familien gemacht hat. Die Fälle sind juristisch verjährt, die betroffenen Männer bleiben ein Leben lang versehrt.