Zum Inhalt springen
Video
Die 72. Berlinale – mit Gästen, aber strengen Corona-Regeln
Aus Tagesschau vom 10.02.2022.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 4 Sekunden.

72. Filmfestspiele Berlin «Peter von Kant»: Fassbinder auf Französisch

Eine Fabel über den Filmzirkus: François Ozon fiel die Ehre zu, mit einem Fassbinder-Remake die diesjährige Berlinale zu eröffnen. Ganz springen will der Funke nicht.

Ein rot eingefärbtes Bild. Es sind die Augen Rainer Werner Fassbinders hinter seiner Brille, die uns hier anschauen. Der französische Regisseur François Ozon macht damit klar: «Peter von Kant» ist nicht nur eine Adaption von Fassbinders «Die bitteren Tränen der Petra von Kant», sondern eine Hommage an den deutschen Film- und Theaterberserker, den Ozon verehrt

Schon vor 20 Jahren hat der Franzose ein Theaterstück Fassbinders verfilmt: «Gouttes d’eau sur pierres brulantes» hiess der Film. Er hat ein zu Lebzeiten Fassbinders unaufgeführtes Theaterstück zur Vorlage.

Audio
«Feier des Kinos»: Brigitte Häring über «Peter von Kant»
aus Kultur-Aktualität vom 11.02.2022. Bild: FOZ
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 6 Sekunden.

Aus Petra wird Peter

Mit «Peter von Kant» hat Ozon nun ein Fassbinder-Stück umgesetzt, dass im Nachgang zu dessen eigener filmischer Umsetzung immer als stark autobiographisch bezeichnet wurde. Es ist eine Geschichte um Liebe, Abhängigkeit, Erfolg.

Im Zentrum von Fassbinders Film steht eine erfolgreiche Modedesignerin, die einerseits ihre schüchterne Assistentin misshandelt, sich andererseits in ein Model verliebt. Aber diese Liebe zerbricht am Erfolg und an Eitelkeiten.

Ozon verändert zweierlei: Er ändert die Geschlechter, aus Petra wird Peter von Kant, aus Assistentin und Geliebter ein Assistent und ein Geliebter. Ausserdem ist Peter von Kant Filmregisseur, der aus seinem jungen Geliebten einen Schauspielstar macht. Der Film spielt im Jahr 1972 in Köln.

Ein Mann und eine Frau, beide elegant gekleidet.
Legende: Bekennender Fassbinder-Fan und Berlinale-Dauergast: Regisseur François Ozon. FOZ

Biographische Bezüge

Die bei Fassbinder noch versteckten autobiographischen Bezüge werden bei Ozon deutlich biographischer: Hier wird nicht nur ein Fassbinder aufgeführt – Fassbinder kommt in der Figur Peter von Kant selber auf die Leinwand. Hauptdarsteller Denis Ménochet sieht ihm nicht nur sehr ähnlich, sein Peter von Kant scheint zeitweise tatsächlich Fassbinder zu sein.

Einen direkten Link zu Fassbinder bildet Hanna Schygulla – die deutsche Schauspielerin, die in so vielen Fassbinder-Filmen mitspielte, spielt in «Peter von Kant» die Mutter der Hauptfigur. Und singt – nicht «Lili Marleen», sondern «Schlaf, Kindchen, schlaf».

Eine Frau hinter einer Kamera, neben ihr ein rauchender Mann.
Legende: Fassbinder mit Glimmstengel – und trotzdem will der Funke nicht ganz springen. FOZ

Kalkulierte Künstlichkeit

«Peter von Kant» ist ein Kammerdrama. Der ganze Film spielt in der Kölner Wohnung des Regisseurs Peter von Kant. Sowohl der Ausstattung als auch dem Spiel der Protagonisten haftet eine gewollte Künstlichkeit an.

Ozons «Peter von Kant» ist Theater mit den Mitteln des Kinos. Oder Kino mit den Mitteln des Theaters? Beides wohl. In einer wunderschönen Szene tanzt – oder besser: torkelt – der betrunkene Peter von Kant zum 1970er-Jahre-Chanson «Comme au théâtre», gesungen von Cora Vaucaire.

Er habe weniger Fassbinders ernstes Theater aufführen wollen, sondern vielmehr an das französische Boulevard-Theater gedacht, sagt François Ozon.

50 Jahre danach

Das alles ist toll gemacht, inszeniert, gespielt und wunderbar anzuschauen. Dennoch will der Funke nicht so wirklich springen. Vielleicht weil der Film etwas zu stark in seiner Verehrung für Rainer Werner Fassbinder verharrt.

Dessen eigener Film «Die bitteren Tränen der Petra von Kant» feierte vor genau 50 Jahren an der Berlinale seine Premiere. Ozons Reprise feiert nach zwei pandemiebedingt schwierigen Jahren das Kino. Sie ist eine Fabel über den Filmzirkus, über den Erfolg und das, was er mit den Menschen macht.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 11.2.2022, 07:06 Uhr.

Meistgelesene Artikel