Peter Dinklage, einer der Stars der Serie «Game of Thrones», hat es geschafft: Seine Kleinwüchsigkeit ist schlicht kein Thema im Eröffnungsfilm der 73. Berlinale. In «She Came to Me» spielt Dinklage den begnadeten Opernkomponisten Steven, der nach seinem letzten Meistwerk so sehr unter kreativer Blockade leidet, dass er schliesslich seine Therapeutin Patricia (Anne Hathaway) heiratet.
Die Rolle des blockierten Komponisten passt zu Peter Dinklages Anspruch, möglichst nie wieder einfach als «Zwerg» besetzt zu werden. Aber natürlich ist der Kontrast zwischen der schlanken, langen Anne Hathaway und dem untersetzten, kurzbeinigen Peter Dinklage nicht zu übersehen. Regisseurin Rebecca Miller setzt auf diesen Kontrast – wie schon oft in ihrer Karriere, wenn sie nicht zu verstecken versucht hat, was nicht zu verstecken ist.
Ein Familienballast, der nicht schwer wiegt
Als Tochter des US-amerikanischen Dramatikers Arthur Miller («The Crucible») hatte Rebecca Miller bei ihren ersten Filmen logischerweise den Ruf eines «Nepo-Babys». Auch wenn es diesen Ausdruck für die angeblich privilegierten Showbiz-Sprösslinge noch gar nicht gab, als sie Mitte der 1990er-Jahre mit ihrem Mutter-Tochter-Drama «Angela» debütierte.
Millers Lebenspartner ist der Schauspieler Daniel Day-Lewis. Sie lernte ihn kennen, als er 1996 in der Neuverfilmung von Arthur Millers «The Crucible» spielte. 2005 übernahm Day-Lewis die Hauptrolle in Rebecca Millers «The Ballad of Jack and Rose». Ihre Mutter war die mit Arthur Miller zeitweilig verheiratete berühmte Fotografin Inge Morath.
Das alles ist Familienballast, den Rebecca Miller schon in ihren früheren Büchern und Filmen gekonnt fruchtbar machte. Nun einmal mehr mit dieser Mischung aus Familiendrama und romantischer Komödie.
Angesiedelt ist «She Came to Me» in der ewigen Filmstadt New York. Es ist ein New York jenseits von Woody Allen, für das die stets umwerfende Marisa Tomei steht. Sie spielt eine zwanghaft romantische Schleppboot-Kapitänin, die den Komponisten Steven aus einer Bar in ihre Koje abschleppt – was bei dem einen verschreckten Kompositionsschub auslöst.
Zwischen Männerfresserin und Julia-und-Romeo-Romantik
Dabei entsteht die filmtitelgebende Oper über eine männerverführende und -mordende Zwangsromantikerin, die ein Opernkritiker dann prompt als «weiblichen Sweeney Todd» wieder in die Musical- und Filmgeschichte einordnet.
Parallel dazu erzählt Rebecca Miller auch eine zeitgenössische Romeo-und-Julia-Geschichte um die Liebe zwischen dem Sohn der Psychiaterin und der Tochter ihrer Putzfrau. Diese Tochter wird wiederum von Harlow Jane gespielt, der Tochter des einstweiligen Schauspielerpaares Thomas Jane und Patricia Arquette. Noch ein «Nepo-Baby».
Dass es Rebecca Miller dabei gelingt, ihre aberwitzigen Familiengeschichten gleichzeitig als Drama und als Komödie zu erzählen und dabei allen Figuren ihre Würde zu lassen – das zeugt von ihrer grossen Souveränität im Umgang mit Umständen, die sich nicht ausblenden lassen.
Ein gelungener Auftakt für eine Berlinale, die auch zu ihrem Beginn noch immer aussieht wie eine Wundertüte voller Versprechungen.