Ein unterhaltsames Porträt hätte das werden sollen: die Geschichte des populären Komikers und Schauspielers Wolodimir Selenski, der in der Fernsehserie «Diener des Volkes» den Präsidenten des Landes spielte, der er dann tatsächlich werden würde.
Sean Penn sollte den Mann vor laufender Kamera treffen. Penn, sein Team und Co-Regisseur Kaufmann waren schon ein paar Tage in Kiew und drehten Strasseninterviews mit Ukrainerinnen und Ukrainern zum Thema, während sie darauf warteten, endlich einen Termin mit Selenski zu bekommen.
Gefangen im falschen Film?
Den Termin bekamen sie ausgerechnet am 24.2.2022, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine.
Sean Penn ist kein guter Interviewer, er stellt seine Fragen nach der Befindlichkeit in der Art eines Sportreporters, aber im Tonfall und mit dem Vokabular US-amerikanischer Networkprofis.
In dieser Angriffsnacht im Februar 2022 spielt das allerdings keine Rolle, der Medienprofi Selenski hat offensichtlich sofort erkannt, wie sehr Sean Penns Bekanntheit dabei helfen würde, seine vom Start weg gleiche Botschaft unter die Leute zu bringen: «Wir werden unser Leben geben für unsere Freiheit. Aber wir brauchen dabei jede Unterstützung, die wir bekommen können».
Vom Filmstar zum Fürsprecher der Ukraine
Wohl gleichzeitig mit Selenski hat da auch Sean Penn eine neue Rolle gefunden, und eine neue Bestimmung. Denn nun beginnt er, sich in die Geschichte der Ukraine einzuarbeiten, begeistert sich für den Euro-Maidan zwischen 2013 und 2014 sowie für die Geschichte der jüngeren ukrainischen Volksbewegung.
Sean Penn schwärmt vom Willen der Ukrainerinnen und Ukrainer, sich mit dem Leben für ihre Freiheit einzusetzen, während er und die meisten anderen Amerikaner längst vergessen hätten, was für ein wertvolles Geschenk Demokratie und Freiheit seien.
Ein Weltstar macht Weltpolitik
Das hat durchaus einen dokumentarisch-didaktischen Wert für den Film, denn Sean Penns naiv anmutende Begeisterung und sein Wunsch, möglichst schnell möglichst viel über die Ukraine zu erfahren, treiben den Film voran.
Die Interviews mit Ex-Diplomaten, Spezialisten, Journalisten und Strategen aus dem Westen, aber auch in der Ukraine vermitteln ein kohärentes Bild der Umstände, die allenfalls zu Russlands Angriffskrieg geführt haben – und zu seiner Fortdauer.
Dass Sean Penn sich mit Haut und Strubbel-Haar zum Selenski-Prediger macht, in den USA auf Medientour geht und selbst dem verhassten Fox-Moderator und Trump-Freund Sean Hannity in dessen Show die Aufwartung macht, um seine einfache Botschaft zu verbreiten, zeugt von Engagement.
Dass der Film dabei Sean Penns permanenten Alkohol- und Zigarettenkonsum eben so wenig verheimlicht wie die Banalität seiner Interviews, zeugt von Souveränität bei der Co-Regie und allenfalls sogar von einer gewissen Selbstironie des Hollywood-Stars.
Anwalt für die gute Sache
Mit zwei Stunden ist «Superpower» zwar lang und mit seiner ewig gleichen Botschaft auch repetitiv. Der Film steht aber eben auch im Einklang mit den unermüdlichen Videoauftritten Selenskis, von denen es auch zur Berlinale-Eröffnung wieder einen gegeben hat.
Und die glaubhafte Selbstinszenierung des Schauspielers als Anwalt der guten Sache hat Sean Penn ja mit Wolodimir Selenski durchaus gemein. Das macht den Dokumentarfilm «Superpower» zu seinem eigenen Metakommentar.