Am 5. August 1943 wurde Hilde Coppi in Berlin Plötzensee guillotiniert. Adolf Hitler persönlich hatte ihr Gnadengesuch abgelehnt.
Hilde Coppi gehörte mit ihrem Mann Hans zur «Roten Kapelle» – so fasste die Gestapo Gruppen loser und lokal organisierter Widerstandsaktivisten zusammen. Es waren vorwiegend junge Leute, die mit Flugblättern, Briefen und Funkkontakten gegen den Krieg, das Vergessen und die Propaganda ankämpften.
Das Grauen dringt in die Unbeschwertheit
Als Hilde Coppi am 12. September 1942 verhaftet wurde, war sie 33 Jahre alt und hochschwanger. Andreas Dresens Film «In Liebe, Eure Hilde» setzt an genau diesem Tag ein.
Hilde pflückt gerade Erdbeeren im Garten mit ihrer Mutter, als zwei schwarze Wagen vorfahren. Männer durchsuchen das Häuschen und finden dort unter anderem den kleinen Koffer mit dem Funkgerät.
Von nun an bewegt sich der Film, dessen Drehbuch von Dresens Hausautorin Laila Stieler stammt, auf der Zeitachse in zwei Richtungen. Je weiter wir Hilde vom Verhör, über die Geburt ihres Sohnes im Gefängnis, bis zum Prozess und der Hinrichtung begleiten, desto mehr erfahren wir über ihr Leben. Über den Sommer mit Hans Coppi, über ihren kriegsabwesenden ersten Mann Franz, ihre kranke Mutter, ihre jüdische Schwiegermutter.
Der Film springt immer weiter in die Monate vor der Verhaftung zurück. Er zeigt lebenslustige junge Menschen, die am See zelten, sich verlieben, Sex haben, ihrer Arbeit nachgehen und nebenbei immer wieder kleine Widerstandsaktionen durchführen, mit Idealismus und durchaus auch einer gewissen Abenteuerlust.
Keine Kostümorgie
Andreas Dresens grosse Stärke sind alltägliche Szenen mit Menschen, die sich unspektakulär echt anfühlen. Seine Figuren geben keine erklärenden Sätze von sich, das Bild der einzelnen Männer und Frauen ergibt sich aus vielen kleinen Szenen, die sich ergänzen.
Das funktionierte bereits gut in Dresens gegenwärtig spielenden Filmen wie «Sommer vorm Balkon» (2005) oder «Halt auf freier Strecke» (2011). Aber auch in seinen Explorationen in die einstige DDR wie «Gundermann» (2018). Es funktioniert aber auch überraschend gut in diesem Film: Er hätte leicht in eine historisierende Kostümfundus-Orgie abgleiten können, vermeidet dies aber subtil.
Es gibt kaum Musik in dem Film und keine einzige Hakenkreuzfahne. Das BMW-Motorrad mit Seitenwagen, mit dem Hans Coppi herumknattert, ist zeitlich korrekt verortet wie die restliche Ausstattung. Aber die Ausstattung ist so alltäglich und unauffällig, wie die Menschen, die sich in diesem Film den Sommer teilen, und wie die mögliche Gefahr – bis diese in tödliche Gegenwart umschlägt.
Menschen mit moralischem Kompass
Dresen sagt, er habe jede Heroisierung vermeiden wollen. Er sei in der DDR aufgewachsen, in der die Widerstandskämpfer gegen die Nazis regelrecht verklärt wurden: «Sie waren Lichtgestalten, fast Götter, neben denen man sich dann folgerichtig ziemlich klein, erbärmlich und mutlos vorkam. So heldenhaft könnte ich nie sein, sagte man sich, und das ist natürlich systemerhaltend. Die Verklärung war also politisch gewollt. Die eigene Bevölkerung sollte nicht auf die Idee kommen, loszulaufen.»
«In Liebe, Eure Hilde» schafft keine Lichtgestalten. Der Film zeigt Menschen mit einem moralischen Kompass und einem Sinn für Gerechtigkeit im Alltag.