«Egal, wo auf der Welt ich hingereist bin», erzählt Tom Cruise bei einem Interview in Cannes, «die Menschen haben mich immer gefragt, wann endlich ein zweiter Teil von ‹Top Gun› erscheint.» Ganze 36 Jahre mussten Hardcore-Fans warten, bis ihr Wunsch erhört wurde.
Am Filmfestival in Cannes präsentiert Tom Cruise «Top Gun: Maverick». Seine Figur, der Kampfpilot Pete «Maverick» Mitchell, ist jetzt Ende 50, aber noch immer ein Draufgänger. Für ihn gelten keine Regeln – selbst dann nicht, wenn sie aus den höchsten Rängen des Militärs kommen.
Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet er an die Flugschule «Top Gun» der Navy gerufen wird. Um dort die besten jungen Kampfpilotinnen und -piloten des Landes auf eine gefährliche Mission vorzubereiten.
Anonyme Bösewichte mit Atomwaffen
Wer genau der Feind ist oder welcher Nation er angehört, wird nicht deutlich im Film. Die Jungpilotinnen und -piloten, angeführt von Maverick, kämpfen gegen anonyme Bösewichte, die mit Atomwaffen die Welt zerstören wollen.
«Die USA als Weltpolizei, das ist vorbei», sagt Filmjournalistin Denise Bucher, die den Film in Cannes gesehen hat. «Das wissen die USA auch. Aber mit solchen Filmen wollen sie halt nochmals ihre Stärken versichern.»
500 Prozent mehr Navy-Anmeldungen
Der Film entstand in enger Zusammenarbeit mit der US-Navy und dem Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten.
Diese haben schon mal von «Top Gun» profitiert. 1986 erholte sich die USA langsam von der Niederlage im Vietnamkrieg. Rüstete im Kalten Krieg auf. Patriotismus lag im Trend. Nach vielen kriegskritischen Filmen kam der damals 24-jährige Tom Cruise als cooler Navy-Pilot gerade recht.
Alle wollten so sein wie er. Bomberjacken und Pilotenbrillen, wie er sie trug, wurden zu Verkaufsschlagern. Die US-Navy verzeichnete durch den Film 500 Prozent mehr Anmeldungen als üblich.
«Das passt nicht mehr»
Kampfpilotinnen und -piloten, die sich gegenseitig feiern, wenn sie töten, denen das eigene Leben kaum etwas wert scheint – heute wirkt das befremdlich. «Dieses Kriegsverherrlichende, das passt nicht mehr», sagt Denise Bucher.
Dass dieser unkritische Militär-Film ausgerechnet startet, während in der Ukraine Krieg herrscht, kommt ihm nicht zugute. Eigentlich hätte «Top Gun: Maverick» bereits vor drei Jahren ins Kino kommen sollen. Doch unter anderem wegen Corona wurde er immer wieder verschoben.
Nochmals die Sau rauslassen
Das Timing ist schlecht, die Story irgendwie veraltet – und doch warteten in Cannes am Roten Teppich so viele Fans wie bei keinem anderen Film. «Top Gun» ist Kult. Vor allem aus nostalgischen Gründen, sagt Filmredaktor Michael Sennhauser. Er war 25 Jahre alt, als «Top Gun» ins Kino kam.
«Maverick spricht meine Generation an», sagt er: «Im Film werden immer wieder Sprüche gemacht, dass es für ihn Zeit ist abzutreten. Doch er macht es nicht. Für das Publikum ist es toll zu sehen, wie er nochmals die Sau rauslässt. Obwohl wir wissen, dass er in Wirklichkeit in einem Kampfjet sofort in Ohnmacht fallen würde.»
Bei Fans des ersten Teils dürfte dieses Spektakel mit der 80s-Musik und den waghalsigen Kampfjet-Flügen also trotz allem nostalgische Gefühle wecken. Viel mehr soll dieser Film wohl auch gar nicht.
Kinostart: 26.05.2022