Weil «The Brutalist» so brutal lang geworden ist, hat Brady Corbet eine Pause in seinen Film eingebaut: mit Standbild, weiterlaufender Musik und einem rückwärts laufenden Timecode, sodass in der ersten Vorstellung für die Presse in Venedig der ganze Saal laut rückwärts zählte bis zum Start des zweiten Teils.
Da war man schon längst gefangen und fasziniert von diesem Monumentalwerk, das so gewichtig und überwältigend ist wie die brutalistische Architektur, von der der Film erzählt.
Er habe einen Film machen wollen über einen Bauhaus-Architekten, der mit seinen Visionen in den 1950er-Jahren die amerikanische Moderne und den Brutalismus mitgeprägt habe, sagt Brady Corbet in Venedig. Doch bei intensiven Recherchen habe er erstaunt festgestellt, dass es so einen gar nicht gegeben habe. So hat er schlicht einen solchen erfunden: den ungarischen Juden László Tóth, der – als KZ-Überlebender – nach dem Krieg in die USA emigriert.
Ein erfundener Emigrant
Dessen fiktive Biografie ist so überzeugend erzählt, sein architektonisches Schaffen so glaubhaft präsentiert, dass man sich ständig fragt, warum man denn noch nie etwas von diesem Architekten und seinem unglaublichen Werk gehört hat.
Brady Corbet hat das Drehbuch zu diesem Monumentalepos zusammen mit seiner Frau, der norwegischen Schauspielerin und Filmemacherin Mona Fastvold geschrieben.
Die Geschichte reicht vom Ende des 2. Weltkriegs bis zur ersten Architekturbiennale 1980. László Tóth (Adrien Brody), emigriert erstmal ohne seine Frau Erzsébet (Felicity Jones) in die USA (die Journalistin wird sehr viel später mit der Nichte Zófia nachkommen). Dort angekommen, gerät er schon bald an den superreichen Industriemagnaten Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce), der von den modernen Visionen des Bauhaus-Absolventen begeistert ist.
Van Buren erteilt László einen Auftrag, der diesen die nächsten 20 Jahre beschäftigen wird: Auf der grünen Wiese, am Rand einer Kleinstadt in Pennsylvania, soll Lázló ein riesiges Community-Center bauen. Ein Projekt, das den körperlich und psychisch fragilen Mann mehr als einmal an seine Grenzen bringt.
Monumental in jeder Hinsicht
So monumental das entstehende Bauwerk aus Beton und Carrara-Marmor ist, so monumental ist Brady Corbets Film. Die Geschichte enthält alles, was ein grosses Kinoepos ausmachen muss: Flucht, Liebe, Höhenflüge, Abgründe, grosses Drama.
Die Kameraarbeit mit den echten Filmbildern und ein gewaltiger Soundtrack entsprechen der epochalen Story und der schweren, kolossalen Architektur, von der die Geschichte handelt: Da hämmert und dröhnt es gewaltig zu Wutausbrüchen oder nächtlichen Drogenräuschen des wieder einmal von seinen Dämonen überwältigten Lázló.
Adrien Brody brilliert als getriebener Mann
Im kolossalen Bauwerk, das er plant und baut, verarbeitet er seine Traumata von KZ-Folter, von Migration, vom Fremdsein. Ein Leben lang wird er darunter leiden, die Sprache nicht richtig zu beherrschen, immer als Ausländer erkannt und taxiert zu werden.
Kein anderer hätte die Rolle dieses getriebenen Mannes besser spielen können als Adrien Brody – ihm gegenüber als ur-amerikanischer, jovialer Selfmade-Milliardär ein ebenso eindrücklicher Guy Pearce. Es wäre sehr verwunderlich, wenn dieses gewaltige Filmepos am Ende des Filmfestivals ohne Preis bleiben würde.