Captain Marvel ist die erste Titelheldin der Marvel Studios. In den 20 bisherigen Comic-Verfilmungen hatten immer Männer die Hauptrolle.
Superhelden – lange ein Produkt von Männern für Männer. Wie sexistisch Comics waren, zeigt das Beispiel der 200. Ausgabe der «The Avengers»-Comic-Reihe aus dem Jahr 1980.
Captain Marvel liegt im Kreissaal. Während ihre Helden-Kollegen vor der Tür warten, bringt sie einen Jungen zur Welt.
Alle freuen sich. Ausser der frischgebackenen Mutter. Denn sie weiss nicht, wer der Vater dieses Kindes sein soll.
Sohn und Vater ist die gleiche Person
Der Junge wächst beängstigend schnell. Und ist nach kurzer Zeit bereits ein erwachsener Mann.
Der stellt sich als Marcus Immortus vor und erklärt, er sei sein eigener Vater. Er war in einer Zwischenwelt, dem Limbo, gefangen, wollte sich aber gerne mal auf der Erde umsehen. Also entführte er Captain Marvel, hypnotisierte sie und pflanzte sich ihr ein.
Er sei so einsam in seiner Zwischenwelt, sagt er mit Tränen in den Augen. Jetzt müsse er aber halt doch wieder dorthin zurück.
Was jetzt passiert, macht die Geschichte noch widerwärtiger: Captain Marvel sagt, sie wolle mit ihrem Vergewaltiger mitgehen.
Sie habe noch immer die gleichen Gefühle für ihn wie im Limbo. Wir erinnern uns: Marcus hat sie dort hypnotisiert und damit gefügig gemacht.
Vom Vergewaltiger zum Sohn zum Lover
Also fliegen die beiden – in kurzer Zeit von Frau/Vergewaltiger zu Mutter/Sohn zu Liebespaar mutiert – gemeinsam davon. Die anderen Superhelden wünschen den Zweien alles Gute.
Vor 39 Jahren wurde diese absurde, frauenfeindliche Geschichte geschrieben. Damals lasen vor allem Kinder die Comic-Hefte.
Wie haben es hier mit dem sogenannten Vergewaltigungsmythos zu tun. Sexuelle Gewalt wird verharmlost, das Verhalten der Männer mit einer natürlichen Triebhaftigkeit entschuldigt. Und unterschwellig gesagt, dass Frauen vergewaltigt werden wollen.
Übrigens: Im Heft «The Avengers #200» sind vier Männer als Plot-Schreiber aufgelistet. Im Nachhinein sollen alle abgestritten haben, für die Vergewaltigungs-Story verantwortlich zu sein.
Die Erste, die den Comic öffentlich verurteilte, war Kunstkritikerin Carol A. Strickland. Die Reaktionen auf ihren Artikel beschreibt sie auf ihrer Website: «Viele schrieben mir, ich müsse mal wieder flachgelegt werden, um klar denken zu können.»
Anscheinend war die Geschichte den Marvel-Verlegern dann aber doch unangenehm. Ein Jahr später tauchte Captain Marvel wieder auf. Sie liess die versammelten Superhelden wissen, wie enttäuscht sie von ihnen sei.
Dass einer der grössten Comic-Verlage der USA solch eine Geschichte druckte, scheint unglaublich.
Frauen erobern die Comics
Zum Glück sieht es heute etwas anders aus. Immer mehr Frauen interessieren sich für Comics. Und auch immer mehr Frauen schreiben und zeichnen sie.
Das hat inhaltliche Folgen: Es gibt lesbische und muslimische Heldinnen. Der Donnergott Thor war zwischendurch eine Frau. In der Rüstung von Iron Man steckt mittlerweile auch eine.
Die Superheldenwelt wird weiblich. Das wird hoffentlich dafür sorgen, dass solche Geschichten nicht mehr erscheinen.