Dunkles Wasser, hohe Wellen. Mittendrin schwimmen Francis (Welket Bungué) und seine Freundin Ida um ihr Leben. Sie sind erschöpft nach einer langen Flucht aus dem afrikanischen Guinea-Bissau.
«Eigentlich war ich mein ganzes Leben lang ein Flüchtling», wird Francis später sagen. Später, als er allein in Berlin ankommt. Denn am Ende wird nur er in Europa an den Strand gespült.
Im Sand liegend schwört er sich: Er wird ab jetzt ein guter Mensch. So beginnt das Drama «Berlin Alexanderplatz» von Regisseur Burhan Qurbani. Der Rest des dreistündigen Films zeigt, wie Francis an seinem Vorsatz scheitert.
Der Roman – heute wieder aktuell
Die Figur Francis heisst in Alfred Döblins Romanvorlage von 1929 Franz Biberkopf. Der ist kein Geflüchteter, sondern ein einfacher deutscher Arbeiter.
Er sass wegen Mordes an seiner Freundin Ida im Gefängnis. Wird nach vier Jahren entlassen. In die Grossstadt, in die Freiheit gespült. Und schwört sich: Er wird ab jetzt ein guter Mensch.
Für den 39-jährigen Regisseur Burhan Qurbani ist der Stoff heute wieder aktuell: «Der Roman wurde in einer Zeit geschrieben, als die deutsche Demokratie am Scheitern war. Die Weimarer Republik ging gerade in die Knie, die rechten Kräfte übernahmen damals langsam das Land. Das ist in den letzten Jahren auch wieder ansatzweise spürbar.»
Inspiriert von der eigenen Geschichte
«Berlin Alexanderplatz» gilt als eines der wichtigsten Werke der deutschen Moderne. Zweimal wurde das Buch bereits verfilmt. Zum ersten Mal 1931, als einer der ersten deutschen Tonfilme. Der Roman-Autor Alfred Döblin arbeitete damals am Drehbuch mit.
Die bekannteste Verfilmung stammt aber aus dem Jahr 1980. Regisseur Rainer Werner Fassbinder drehte «Berlin Alexanderplatz» als düstere 15-stündige TV-Serie. Beide Adaptionen bleiben nahe am Original.
Für Burhan Qurbani war klar: Er möchte sich von den anderen Werken entfernen. Dafür hat er seine eigene Geschichte angeschaut. «Meine Eltern sind aus Afghanistan geflohen. Dieses Thema ist für mich ein Leben lang aktuell.»
Deshalb machte er den Deutschen Franz zum Geflüchteten Francis.
Bildgewaltig und laut
Ob Franz oder Francis – die Figur ist ein Aussenseiter, der versucht, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Seine Würde wiederzuerlangen. Und sich dabei mit den falschen Leuten einlässt.
Diese Essenz des Romans hat der Regisseur in seinem eindrücklichen Film beibehalten. Bildgewaltig, bunt und laut versetzt er den alten Stoff in die heutige Zeit.
Kinostart: 9.7.2020