Anfangs der 80er-Jahre nahm die bis heute so erfolgreiche Regisseur-Karriere von Christoph Schaub ihren Anfang. Seine Sporen verdiente er sich bei der Filmproduktionsgesellschaft Videoladen Zürich ab. Er dreht Kurz-Dokus über das Autonome Jugendzentrum Zürich (AJZ) oder die Teddyszene, mit denen er die Befindlichkeit seiner Generation porträtierte. Durch Engagements als Regieassistent, Beleuchter oder Cutter eignete sich der Autodidakt Wissen an, auf das er für sein Spielfilm-Debüt «Wendel» zurückgriff.
Herr Schaub, was bewog Sie damals dazu, «Wendel» zu drehen?
Eine persönliche Geschichte, wenngleich ich sie nicht 1:1 aus dem Leben übernahm. Das Thema der Männerfreundschaft beschäftigte mich damals sehr. Ausserdem stellten Mitte der 80er-Jahre viele Frauen in der linken Szene die Behauptung in den Raum, dass vor allem die Frauen die Fähigkeit haben, unkonventionelle Beziehungen leben zu können. Die Männer galten eher als beziehungsunfähig, was Freundschaften mit dem eigenen Geschlecht betraf, aber auch in Bezug auf Frauen. Dem wollte ich etwas aus der Sicht eines Mannes entgegensetzen.
Hierfür wendeten Sie sich nach einigen kurzen Dok-Filmen erstmals der Fiktion zu.
Mein Ziel war es immer, Spielfilme zu machen. Und man kann nur einen Spielfilm machen, wenn man ein Thema hat, das einen persönlich bewegt, das antreibt und die enormen Hindernisse nehmen lässt, die sich in den Weg stellen.
Wie gross waren diese Hindernisse?
Der Film hatte viele Hürden zu nehmen, etwa in der Finanzierung. Das schöne am ersten Film aber ist ja, dass man nicht weiss, wie tief man stürzen kann. Man läuft auf einem Seil, aber man ist sicher, man kommt an. Es ist zwar schwierig und anstrengend, aber es ist zugleich aufregend und man hat unglaublich viel Energie.
Können Sie sich an Ihre filmische Unschuld vor Ihrem Debüt zurückerinnern?
Ja, ich kann mich gut daran erinnern. Damals wusste ich etwa nicht, dass ein Film dreimal gemacht wird: beim Schreiben, beim Drehen und beim Schneiden. Während der Dreharbeiten hatte ich immer wieder das Gefühl, ich würde den Film verlieren. Damals wie heute gleich geblieben ist jedoch die Nervosität, die Freude, die Angst und der Respekt, wenn ein Projekt startet und man sich fragt: Was wird am Schluss sein?
Das Schöne am ersten Film ist, dass man nicht weiss, wie tief man stürzen kann.
Sie sind bekannt dafür, Schauspieler gut führen zu können. Was haben Sie diesbezüglich für Erfahrungen aus «Wendel» mitgenommen?
Ich hatte gar keine Vorbildung in Sachen Schauspielerführung, machte mich also «unbefleckt» daran. Wir probten sehr ernsthaft, was damals ungewöhnlich war. Das Gefühl, etwas zu sehen, das emotional wahr ist, aber konstruiert, habe ich damals als Sensation empfunden. Diesen Moment suche ich heute noch.
Waren Sie damals zufrieden mit dem fertigen Film?
Es erstaunte mich, auf wie viel Interesse er stiess und dass er Preise gewann. Ich fand etwas selbstkritisch, er sei zu langsam inszeniert, etwas zu scheu. Heute sehe ich, wieso der Film seinen Weg gemacht hat. Seine Stärke ist das Thema, die Authentizität der Gefühle und die Visualität der Welt, in der sich die beiden Figuren bewegen.
Wie reagierten die Zuschauer auf «Wendel»?
Die Frauen und viele heterosexuelle Männer mochten ihn sehr und fanden ihn neu im Thema. Einige Männer wiederum fühlten sich peinlich berührt, weil er ihnen wohl zu nahe kam. Neben vielen Schwulen, die den Film gut fanden, gab es auch welche, die ihn kritisierten, weil ich die sexuelle Orientierung der Hauptfigur absichtlich nicht genau deklariert hatte. Für mich war der Film eine persönliche Herausforderung, mich zu positionieren.
Wenn der Christoph Schaub von heute dem Regie-Neuling Christoph Schaub von damals einen Rat geben könnte, wie würde der lauten?
Versuch es extremer zu machen, weniger scheu, weniger innerlich. Versuch mehr an die Grenze zu gehen, vor allem visuell. Sicher aber wäre anhand dieser Ratschläge kein total anderer Film entstanden.