Horrorfilme sind das Geriatrie-Genre des Films. Nicht in punkto Zielgruppe: Da strömen die Kids gerade scharenweise ins Kino, etwa um «Scream 5» zu sehen. Es ist der Horror an sich, der zum Ältesten gehört, was die Filmkunst zu bieten hat.
Mit dem Stummfilm «Nosferatu» (1922) schuf Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau vor 100 Jahren eine Bildsprache, die bis heute als Massstab des Grauens gilt. In der Adaption des Literatur-Klassikers «Dracula» tauchen unheimliche Schatten, krallenartige Finger, ein diabolisch geschminktes Gesicht auf – schauderhaft bis heute.
Zensur-Code abgeschafft
Mit dem Farbfilm schwappte später das Kunstblut auf die Leinwand. «Blood Feast» (1963) war diesbezüglich bahnbrechend. «Er gilt gemeinhin als erster Splatterfilm», erklärt SRF-Filmexperte Enno Reins. Ein Film also mit besonders grausamen und blutigen Szenen.
«Blood Feast» sorgte in Hollywood für Entsetzen, aber auch für einen neuen Diskurs. Der damals gültige Zensur-Code (Der sogenannte «Hays Code»), der gewalttätige oder sexualisierte Szenen verhindern sollte, landete vier Jahre nach «Blood Feast» endgültig auf dem Schafott.
Horror im Hauptabend-Programm
Lange gehörte der Horrorfilm zur Subkultur, doch heute sind seine Merkmale auch im jugendfreien TV-Hauptabendprogramm zu finden. «Horror-Elemente finden sich heute in jedem Krimi, in jeder Teenie-Serie, ohne dass diese dem Horror zugeordnet werden», sagt Christine Lötscher, Professorin für populäre Literaturen und Medien an der Universität Zürich. Gut zu sehen sei das etwa in der SRF-Serie ‹Wilder›.
Horror war des Teufels
Der Weg zur gesellschaftlichen Akzeptanz war steinig. Mit den VHS-Kassetten fanden Horrorfilme Anfang der 1980er-Jahre ins Wohn- und – noch schlimmer – Kinderzimmer. Pädagogen und Wissenschaftlerinnen warnten vor möglichen Folgeschäden wie Nachahmungen oder «Abstumpfung». Heute sind solche Bedenken wissenschaftlich weitgehend widerlegt.
Sozialkritisch und politisch
Auch wenn das Grauen, Gruseln und Gemetzel in den Filmen den Blick dafür trüben mögen; Horrorfilme seien seit jeher gesellschaftskritisch, betont Medienprofessorin Lötscher: «Horrorfilme gehen an die Grenzen. Sie stellen alles in Frage, was uns selbstverständlich erscheint.»
Häufig sei Horror politisch, es gebe auch anti-rassistischen Horror. So wie die oscarprämierte Mystery-Horror-Satire «Get Out» (2017), in der die afroamerikanische Hauptfigur im Umfeld ihrer weissen Freundin auf verstörende Geheimnisse stösst.
Hommage an das Grauen
Wie vieles in der Popkultur schwappte auch die aktuelle Horrorfilm-Welle aus den USA zu uns. Nach Vorbild von US-Kultregisseur Quentin Tarantino, der in seinem New Beverly Cinema einen «Horrorthon» (12 Stunden Horrorfilme am Stück) zeigt, gibt es im Zürcher Kino Riffraff nun die Horror-Reihe «8 hours of Horror».
Im Filmpodium Zürich hält der Horror ebenfalls Einzug: ab Mitte Februar mit einer Hommage an den «Vater des modernen Horrorfilms» Georges Franju. Im Herbst mit einem Frauen-Horror-Spezialprogramm.
Der Boom hält an
Serien mit Horror boomen genauso wie Filme. Beim grössten Streaming-Anbieter Netflix figuriert etwa «All of Us Are Dead» aktuell in den Top Ten der Charts. Der Kino-Erfolg von «Scream 5» bleibt ebenfalls nicht folgenlos: Der sechste Teil – so die Macher via Twitter – sei bereits in Planung.
Die lange Geschichte des Horrors ist noch längst nicht zu Ende erzählt.