Die 14-jährige Luz Noceda ist die Hauptfigur in der Disney-Animationsserie «The Owl House». Sie möchte zaubern lernen, geht auf eine Hexenschule – und ist seit Kurzem bisexuell, wie Dana Terrace, die Macherin der Serie, auf Twitter bekannt gegeben hat.
Eine kleine Sensation, ist sie doch die erste bisexuelle Hauptfigur in einer Disney-Produktion. Warum der Unterhaltungskonzern diesen Weg gerade jetzt einschlägt, erklärt Popkultur-Expertin Brigitte Frizzoni.
SRF: Überrascht Sie dieser Schritt von Disney?
Brigitte Frizzoni: Nein, überhaupt nicht. In der Populärkultur werden immer auch gesellschaftlich virulente Diskurse irgendwann aufgegriffen. Manchmal nehmen sie auch eine Vorreiterrolle ein und greifen etwas auf, das dann wieder in den Diskurs fliesst.
In «The Owl House» ist es eindeutig die Diskussion um Diversity und sexuelle Vorlieben, die in der Populärkultur angekommen ist.
Nun wird die Heteronormativität aber nicht erst seit gestern diskutiert und auch kritisiert. Warum kommt Disney erst jetzt mit einer bisexuellen Hauptfigur?
Solche innovativen Neuerungen, die nicht von Anfang an mainstreamfähig sind, finden ihren Weg immer zuerst durch kleinere Formate in die breite Masse.
In der Literatur etwa werden nischige Geschichten erst in kleinen Verlagen publiziert, bevor sie dann eben mainstreamfähig sind und von grösseren Verlagen aufgenommen werden.
So ist es auch bei Filmen und Serien. In den 80er-Jahren war die «Lindenstrasse» die erste deutschsprachige Soap, in der es zu einem Kuss zwischen zwei Männern kam. Man könnte sagen: Jetzt ist Disney auch so weit.
Wenn die Figur Luz Noceda beim Publikum nicht ankommt, wird sie einfach herausgeschnitten.
Warum wagt man ausgerechnet in einer Serie diesen Schritt?
Das hat vor allem mit dem Produktionsablauf zu tun: Serien sind viel flexibler als Filme, die oft einen langen Vorlauf haben und auch merklich teurer sind.
Wenn sich jetzt herausstellen sollte, dass die Figur Luz Noceda nicht ankommt beim Publikum, kann man sie einfach herausschneiden. Sie wird dann vielleicht von einer Hauptfigur zur Nebenfigur oder geht auf eine längere Reise, um dann irgendwann ganz von der Bildfläche zu verschwinden.
Steckt hinter dem Diversity-Gedanken von Disney nicht einfach auch wirtschaftliches Kalkül?
Selbstverständlich ist Disney interessiert, mit der Zeit zu gehen und sich zu positionieren. Die Nachricht über den ersten bisexuellen Charakter in ihrer Produktion geht aktuell ja sehr durch die Presse. So positioniert sich Disney natürlich als fortschrittliche Produktionsfirma.
Das Gespräch führte Igor Basic.