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Ein junger Informatiker: gross, schmal, Brille, Kurzhaarschnitt, so wie man sich einen Informatiker vorstellt. Er sitzt in einem Mittelklasse-Hotelzimmer in Hongkong. Ihm gegenüber, ein Journalist. Der junge Mann steht kurz davor, sein Leben unwiderruflich auf den Kopf zu stellen. Der Journalist beginnt mit seinen Fragen: «Ich weiss noch gar nichts über Sie.» «Ich arbeite für die Nationale Sicherheitsbehörde der Vereinigten Saaten, kurz NSA.» «Nein, ich weiss Ihren Namen nicht.» «Entschuldigung, mein Name ist Edward Snowden.»
Original-Aufnahmen einer geheimen Zusammenkunft
Aus heutiger Sicht wirkt diese Frage absurd. Edward Snowden, der Mann der 2013 die Welt in Atem hielt. Der Whistleblower enthüllte geheime Dokumente der NSA. Darin enthalten, die beispiellosen Überwachungspraktiken der amerikanischen und britischen Geheimdienste. Die Veröffentlichung löste 2013 die NSA-Affäre aus.
Zurück im Hotelzimmer. Wir sehen Filmaufnahmen, wie Edward Snowden zwei Journalisten in die Überwachungs-Methoden seines Arbeitgebers einweiht. Dass es diese Aufnahmen überhaupt gibt, haben wir der Dokumentarfilmerin Laura Poitras zu verdanken.
Acht Tage mit Snowden im Hotel
Es begann alles mit verschlüsselten E-Mails, die Laura Poitras bekam. Sie enthielten brisante Informationen über den amerikanischen Geheimdienst. Poitras konnte den Wahrheitsgehalt der Mails kaum überprüfen. Sie vertraute dem anonymen Informanten mit dem Codenamen Citizenfour. Es war Edward Snowden. Sie trafen sich in Hongkong. Mit dabei: die beiden Journalisten von der englischen Zeitung «The Guardian»: Glenn Greenwald und Ewan McAskill.
Laura Poitras filmte alles von Anfang an mit. Vom ersten Treffen mit Edward Snowden, bis er heimlich aus dem Hotel rausgeschleust werden musste, weil Geheimdienst und Medien, nach der Veröffentlichung seiner Informationen und seiner Identität, über den Aufenthaltsort Bescheid wussten. Diese Moment-Aufnahmen verwebte Poitras mit weiteren Hintergrundgeschichten zu einem spannenden Doku-Thriller.
Überwachungs-Paranoia
In dem Dokumentarfilm klärt Snowden über die britischen und amerikanischen Spähprogramme auf, wie zum Beispiel TEMPORA oder PRISM. Dabei geht es in dem Film nicht nur um diese erschütternden Fakten. Was einen mitreisst, sind die unausgesprochenen Emotionen, die Aufregung und die Angst kurz vor der Veröffentlichung aufzufliegen.
Wenn Edward Snowden erklärt, dass man auch übers Festnetz abgehört werden kann und kurz darauf der Feueralarm im Hotel in unregelmässigen Abständen ertönt, dann meint man, das Herzklopfen aller Beteiligten hören zu können.
Ein oscarreifer Dokumentarfilm
Um der Welt die Augen zu öffnen, machte sich Snowden zum US-Staatsfeind. Er lebt noch heute im russischen Asyl. Als bedeutender Whistleblower wurde er mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt er die Nominierung für den Friedensnobelpreis 2014.
Der Dokumentarfilm «Citizenfour» bekam mehrere Auszeichnung, sowie eine Nominierung für den Oscar 2015. Der Film ist jetzt schon ein wichtiges Zeitdokument über einen der grössten Politskandale. Der Zuschauer entdeckt, dass hinter dem weltbekannten Whistleblower nur ein Mensch steckt. Spätestens gegen Ende des Films, wenn der Druck und die Angst vor dem Ungewissen deutlich werden, sind Snowdens Augenschatten nicht mehr zu übersehen. «Citizenfour» steht auf der Seite von Edward Snowden. Wenn man aus dem Kino kommt, wünscht man sich eine NSA-sichere Verschlüsselung für all seine E-Mails.