Die Journalistin und Filmemacherin Laura Poitras ist zunächst misstrauisch. Seit Jahren wird sie von den US-Geheimdiensten überwacht und bei der Einreise in ihr Heimatland USA so oft von den Behörden festgehalten und verhört, dass sie aufgehört hat zu zählen. Irgendwann hält sie das nicht mehr aus und erlaubt einem Journalisten darüber zu berichten.
Diesen Bericht liest auch «Citizenfour». Gerade weil diese Journalistin überwacht wird, wählt er sie aus. Als Computerspezialist im Dienst US-amerikanischer Nachrichtendienste weiss er, dass diese die ganze Welt überwachen, jedes E-Mail, jeden Telefonanruf, jede Google-Suche, und er will, dass die Welt davon erfährt. Nach monatelangem verschlüsseltem Mail-Verkehr zwischen Poitras und «Citizenfour» kommt es zum geheimen Treffen in einem Hotelzimmer in Hongkong. «Citizenfour» ist Edward Snowden.
Handys im Kühlschrank, Briefpapier statt E-Mails, Treffen im Freien
Laura Poitras beginnt sofort zu filmen. Sie dokumentiert die Entstehung eines gigangtischen Überwachungsskandals, und wie ein 30-jähriger Amerikaner dabei ist, sein Leben für immer zu verändern. Was Snowden ihr und einem Journalisten von «The Guardian» erzählt, die Beweise, die er ihnen übergibt, macht ihn für die US-Regierung zum Spion und Landesverräter.
Acht Tage lang filmt Poitras, Handys werden im Kühlschrank gelagert, Telefone ausgesteckt, Akkus aus Laptops genommen. Diese Vorsichtsmassnahmen kennen alle, die am Film in irgendeiner Form mitgearbeitet haben. Barbara Biemann, Journalistin und Filmemacherin beim NDR, schreibt wieder vermehrt Briefe statt Emails und erzählt im «Tagesgespräch»:
Es war unglaublich langwierig und schwierig, weil wir ja nicht darüber reden konnten und uns auch nicht offen austauschen, wir konnten ja keine E-mails schreiben, wir konnten nicht am Telefon reden.
An der Co-Produktion von Praxis Films, NDR und BR war sie beteiligt, und die grossflächige Überwachung aller elektronischen Kommunikation, wie sie Edward Snowden enthüllt hat, hat sie noch vorsichtiger gemacht.
Ein E-mail ist für mich wie eine Postkarte schreiben. Ich würde niemals unverschlüsselt irgendwelche vertraulichen Dinge in einem E-mail schreiben. Ich bin sehr vorsichtig, was den Umgang auch mit Telefon angeht, ich ziehe Gespräche unter vier Augen vor, gerne auch im Freien. Man wird so ein bisschen paranoid.
Snowden im Exil, «Citizenfour» an den Oscars am 22. Februar
In seine Heimat USA zurück kann Edward Snowden nicht mehr, ohne verhaftet zu werden. Er hat in Russland Asyl erhalten. Der Film über ihn ist als bester Dokumentarfilm für einen Oscar nominiert. Nach Hollywood reist auch Barbara Biemann. Ohne Angst. Denn, so viel sie wisse, sei Journalismus auch in Zeiten der totalen Überwachung noch nicht eine illegale Tätigkeit.