Fünf Tage lang gibt sich Basel wieder dem Rausch der Bilder her: Bereits zum dritten Mal findet das Festival «Bildrausch» statt. Gemäss der künstlerischen Leiterin, Nicole Reinhard, ist ihr Festival keines im herkömmlichen Sinn, sondern ein «Festival der Festivals»: Es geht nicht wie bei anderen um exklusive Vorpremieren, sondern darum, die Perlen anderer Festivals nach Hause zu bringen. Filme also, die ihnen aufgefallen sind – für eine reguläre Kinoverwendung aber zu speziell wären.
Experimentierfreude als Motto
Als Auswahlkriterium dient ihnen dabei ein «Anspruch des speziellen Films», gemäss Nicole Reinhard «Filme, die etwas Neues wagen». Es sind Werke, die nicht sowieso in die Schweizer Kinos gekommen wären – zu eigenwillig ist ihre Filmsprache, zu kompromisslos manche Narration. Wie es Nicole Reinhard formuliert: Gezeigt wird die «filmische Avantgarde».
Herzstück des Festivals ist der internationale Wettbewerb «Cutting Edge» mit einem guten Dutzend Filmen aus allen Ecken und Enden der Welt. Aus diesen wird der «Beste Bildrausch-Film» gekürt und mit 3000 Franken prämiert. Daneben wird der Gedanke der «filmischen Avantgarde» auch im Spezialprogramm vertieft, heuer durch Hommagen an zwei Regisseure: Marlen Chuciev und Amir Naderi. Beide sind auch am Festival anwesend.
Regie-Legenden aus Russland und Iran
Der 88jährige Marlen Chuciev ist eine der wichtigsten Figuren des russischen «Tauwetter»-Kinos, das Kino nach der Stalin-Ära. Das Festival zeigt vier seiner Filme, darunter auch «Ilych's Gate»: Dieser erzählt vom unheroischen Alltagsleben junger Menschen im Moskau der 1960er Jahre, von ihren Hoffnungen und Vergnügungen, ihrer Musik, ihren Sehnsüchten und Idealen.
Einige Sequenzen des Films wurden seinerzeit von der Zensurbehörde als «provokativ» bezeichnet. Man störte sich daran, dass darin die wichtigsten Vertreter der damaligen Moskauer Kunstszene auftreten. Der Film wurde als erster «Tauwetter»-Film verboten, in Basel wird er nun in der restaurierten Urfassung gezeigt.
Amir Naderi, der seit längerem in den USA im Exil lebt, ist einer der bedeutendsten iranischen Regisseure der 1970er- und 80er-Jahre. Insbesondere sein Film «The Runner», der nun in Basel auch gezeigt wird, machte ihn zu einer der Schlüsselfiguren der iranischen Neuen Welle.
Direkter Austausch mit Regisseuren
Neben diesen beiden Hommagen zeigt das Festival dieses Jahr auch zwei der angesagtesten Mystery-Serien en bloc: «Les Revenants» und «Top oft he Lake». Beide sind in abgeschiedenen Kleinstädten in der Nähe eines geheimnisvollen Sees situiert. Dabei ist aber «Les Revenants», die Adaption eines gleichnamigen Kinofilms, radikaler und wegen seiner stark an David Lynch erinnernden Atmosphäre und der narrativen Schlenker auch irritierender.
Lohnt sich denn eigentlich so ein kleines Filmfestival mit so wenig Filmen? Nicole Reinhard findet, dass sich die Frage «so vielleicht nicht stellt». Sie würden nicht nur Filme zeigen, sondern bieten eine Plattform für Filme, Gespräche und Podien.
Dies lohnt sich insbesondere auch für die Zuschauer: Anstatt am Rande eines roten Teppichs in der fünften Reihe zu stehen, sitzt man in Basel am Abend neben den Regisseuren und kann direkt mit ihnen über ihre Filme diskutieren.