Sie fühlt sich als Frau, doch etwas ist bei ihr anders: Im italienischen Spielfilm «Arianna» findet die junge Hauptfigur heraus, dass sie als intersexuelles Kind auf die Welt kam: Mit männlichen Chromosomen, aber einem (fast) weiblichen Körper. Sie wurde umoperiert.
In ebenfalls italienischen Film «Short Skin» hat der junge Protagonist ebenfalls ein Problem im Intimbereich: Vorhautverengung. Seine Triebe sind hellwach, doch jede Erektion schmerzt. Operieren? Davor graut es ihm.
Der französische Film «Bang Gang» schliesslich hält, was er verspricht: Jugendliche verabreden sich in einer Kleinstadt zum ungezügelten Gruppensex auf Drogen. Was als Mutprobe beginnt, endet in wilden Orgien.
Das breite Publikum zeigt kaum Interesse
Alle drei Filme laufen am Zürcher Filmfestival «Porny Days». Trotz eindeutigen Sexszenen wird keiner einen Skandal verursachen – allerdings wird auch keiner von ihnen in den Schweizer Kinos laufen.
Das Festivalpublikum ist interessiert, aber herkömmliche Kinogänger kaum. Es sei denn, man verpackt den Teeniesex in einen Horrorfilm: Der düstere Thriller «It Follows» wird nach der Vorführung an den «Porny Days» regulär gestartet, wenn auch schweizweit nur gerade in drei Arthouse-Spielstätten.
Anscheinend sind wir heute an diesem Punkt: Das Spielfilmangebot zum Thema Jugendsexualität ist so vielfältig, intim und tiefgründig wie noch nie, doch das breite Publikum schreit weder auf noch geht es hin. 1995 musste man «Kids» von Larry Clark gesehen haben, um mitreden zu können. Heute wissen viele gar nicht erst, dass ein Schweizer Film namens «Amateur Teens» in den Kinos läuft.
Die Entdeckung der Jugendkultur
Jugendsexualität stand filmhistorisch betrachtet immer etwas quer in der Landschaft. In den 1950ern, mit dem Aufkommen des Rock'n'Roll und der Autokinos, entdeckten die grossen US-Studios das Potenzial der Jugendkultur und schrieben entsprechende Geschichten. «Rebel Without a Cause» (1955) etwa, mit James Dean. Ohne Sexzenen, aber mit überdeutlicher Homoerotik.
Sendung zum Thema
Danach, im Zeitraffer: Stanley Kubricks 14-jährige «Lolita» (1962) und ein vereinzeltes Aufkommen der Thematik im französischen Autorenfilm, etwa bei Truffaut und Louis Malle. In Deutschland gab es ab Ende der 1960er-Jahre die Aufklärungsfilme von Oswalt Kolle sowie die reisserische «Schulmädchen Report»-Serie. Das Thema war plötzlich omnipräsent – doch meist in anspruchslosen Sexfilmen. 1977 feierte der softpornografische Streifen «Bilitis» von David Hamilton Erfolge, und im gleichen Jahr lief das italienische Jugenddrama «Maladolescenza» mit der damals 12-jährigen Eva Ionesco, das in Deutschland später wegen dem Verdacht auf Kinderpornografie indiziert wurde.
An der Schamgrenze
In den 1980er-Jahren flaute diese Welle dann wieder ab. Es entstanden zwar überall Filme mit Jugendlichen für Jugendliche: von «La boum» (1980) bis zu «The Breakfast Club» (1985), um nur zwei Klassiker zu nennen. Diese Teenies hatten zwar Sex, aber es brauchte nicht mehr gezeigt zu werden. Vermutlich auch, weil es das junge Zielpublikum eher peinlich berührt hätte.
Heute ist Jugendsexualität im Film zwar wieder ein Thema, aber eben: Das Publikum besteht nur am Rande aus Teenagern. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Mit «The Diary of a Teenage Girl» kommt demnächst ein kommerzieller US-Film in die Kinos, der die Thematik eine Spur gewagter inszeniert als andere moderne Young-Adult-Dramen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 27.11.2015, 17:15 Uhr