Gross war die Empörung, als der Spartensender «ZDFneo» vor drei Jahren die Ausstrahlung der Serie «Mad Men» mit dem Slogan bewarb: «Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der ihr auf den Arsch glotzt».
Bereits vor diesem etwas ungeschickten Werbeversuch für die Kultserie wurde intensiv darüber diskutiert, ob denn die Serie sexistisch sei oder aber «nur» eine sexistische Gesellschaft porträtiere. Für letztere Variante spricht, dass immerhin eine der Hauptfiguren, Peggy, in der Werbeagentur aufsteigt, dass Betty sich von ihrem untreuen Ehemann trennt und dass Bürochefin Joan eine der wichtigsten Angestellten der Firma zu sein scheint. Feministische Stimmen jedoch sahen Peggy quasi als Quotenfrau, auf der sich die Macher der Serie ausruhten.
Ist «Mad Men» eine Serie über Macho-Männer, die diese verherrlicht? Weit gefehlt. Die Serie ist vielmehr eine subtile Betrachtung eines Wandels, der noch heute nachwirkt und aktuell ist: In der 60er Jahren beginnt sich das Verhältnis der Geschlechter in den USA nachhaltig zu verändern. Das zeigt sich sehr schön, wenn man die beiden Hauptfiguren von «Mad Men», Don Draper und Peggy Olson, genauer betrachtet.
Das Frauenbild in der Madison Avenue
Frauen spielen bei «Mad Men» zunächst mal eine untergeordnete Rolle. Sie kommen nicht einmal im Titel vor - die «Mad Men» sind die Männer der Madison Avenue, der Strasse, in der sich im New York der 60er-Jahre eine Werbeagentur an die nächste reiht.
Zu Beginn steht denn auch eindeutig eine männliche Figur im Zentrum der Serie: Don Draper, erfolgreicher Kreativdirektor bei der Werbeagentur Sterling Cooper. Er hat neben grossem Talent eine Vorzeigefamilie, ein Einfamilienhaus und eine Geliebte. Wie alle seine Kollegen bei Sterling Cooper ist er zudem tendenziell homophob, rassistisch, antisemitisch - und eben sexistisch.
Frauen sind höchstens Konsumentinnen
Peggy Olson wird als blutjunge, frisch gebackene Sekretärin eingeführt, die bei Sterling Cooper ihre erste Stelle antritt. Sie erfährt gleich an ihrem ersten Tag, wie es um das Frauenbild bei Sterling Cooper steht. Ihre Vorgesetzte Joan sagt zu ihr: «Diese Schreibmaschine ist so einfach, dass sogar eine Frau sie bedienen kann».
Als Peggy unter den Sekretärinnen durch ihre lapidar dahingesagten, aber beinahe druckreifen Werbeslogans auffällt, konstatiert Dons Mitarbeiter Freddy: «Es war, als würde man einen Klavier spielenden Hund sehen.» Will sagen: Frauen sind einfach gestrickt. Was die Werbung angeht, sind sie höchstens Konsumentinnen, die auf gute Slogans reinfallen; nicht aber diejenigen, die sich gute Slogans ausdenken.
Figuren, die sich entwickeln
Vordergründig ist also «Mad Men» keine Serie über starke Frauen, sondern vielmehr eine über Männer, die sich Frauen gegenüber sexistisch verhalten. Doch von Beginn weg unterläuft die Serie diesen Sexismus, indem sie ihre beiden Hauptfiguren sich weiterentwickeln und verändern lässt – und das in gegensätzliche Richtungen.
Manche Serie vor «Mad Men» folgte der Regel, dass sich Figuren nicht oder kaum entwickeln. Der Anspruch an eine Serie wie beispielsweise «Friends» oder «Sex and the City» war, dass man als Zuschauer jederzeit reinzappen und sich orientieren konnte. Die Lebensumstände der Figuren änderten sich, von einer eigentlichen Entwicklung der Charaktere konnte aber nicht die Rede sein. «Mad Men» ist nicht die erste Serie, die mit dieser Regel bricht – auch «The Sopranos» und «Six Feet Under» dienen wohl als Beispiel – aber doch noch eine der wenigen. Was «Mad Men» seinen beiden Hauptfiguren an Entwicklung zugesteht, ist beachtlich.
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Begegnung auf Augenhöhe
Der Mittdreissiger Don, der alles zu haben scheint, was man sich wünschen kann, wird schon in der ersten Staffel von seiner Vergangenheit eingeholt: Seine selbst konstruierte Identität beginnt brüchig zu werden.
In der gleichen Zeit steigt Peggy in der Agentur zur Werbetexterin auf und befreit sich von dem wohl mächtigsten Hindernis, das eine Frau am Aufstieg im Beruf hindern kann: einem Kind. In einer spektakulären Verdrängungsleistung schafft es Peggy, nicht mal zu merken, dass sie schwanger ist.
Die Frau trinkt jetzt auch bei der Arbeit
In der zweiten und dritten Staffel bahnt sich mehr und mehr an, was in der vierten einen ersten Höhepunkt erreicht: Peggy und Don begegnen sich auf Augenhöhe. «Ich war streng mit dir», lässt Don Peggy wissen, «aber nur, weil ich dich als Verlängerung meiner selbst sehe.»
Peggy löst sich nach dieser Offenbarung aus Dons Schatten und wagt erste Versuche, eigenständig zu sein. Sie verändert sich äusserlich, wird femininer. Gleichzeitig wird sie maskuliner in ihrem Verhalten. Sie trinkt nun auch bei der Arbeit und lässt ihre Macht spielen, wenn es ihr möglich ist. Dass sie von Don nach wie vor abhängig ist und er derjenige ist, der die Lorbeeren für ihre gemeinsame Arbeit erntet, nimmt sie vorläufig noch hin.
Zerbröckelnde Identität
Während Peggy ein Hindernis nach dem anderen zu überwinden scheint, werden für Don die Hindernisse immer grösser. Gleich zu Beginn der vierten Staffel wird er von einem Journalisten gefragt wird, wer Don Draper sei. Darauf findet er keine Antwort. Er versteckt sich hinter der Floskel, dass es dort, wo er aufgewachsen sei, nicht angebracht sei, über sich selber zu reden.
Tatsache ist, dass Dons Identität, die er sich im Koreakrieg zugelegt hat, um den armen Verhältnissen seiner Familie zu entkommen, ihm langsam aber sicher durch die Finger rinnt. Als er Betty seine eigentliche Lebensgeschichte zu erzählen versucht, ist das gleichzeitig auch das Ende ihrer Ehe.
Wie sich dann herausstellt, ist Anna, die einzige Vertraute, die seine ganze Geschichte kennt, sterbenskrank. Don ist einsam und unternimmt gar einen Versuch, mit dem Trinken aufzuhören. Das ist ein ganz anderer Don als zu Beginn der Serie. Die Schicksale der beiden Hauptfiguren hängen eng zusammen und ihre Entwicklung ist gegenläufig: Sinkt Dons Stern, glänzt Peggys umso heller.
Eine neue Generation
Langsam aber sicher gibt es im New York der 60er-Jahre Platz für eine neue Generation, die das Verhältnis der Geschlechter aus einer anderen Perspektive betrachtet. Auch diese findet in «Mad Mad» ihre Verkörperung, nämlich in der LIFE-Redakteurin Joyce. Peggy freundet sich mit ihr an und lässt sich von ihr in die New Yorker Künstlerszene einführen.
Die (wohlgemerkt lesbische) Joyce sieht die Frage des Geschlechterverhältnisses pragmatisch. «Stell dir Männer als Gemüsesuppe vor. Frauen sind der Topf. Sie nehmen sie auf, halten sie warm, behüten sie. Aber wer möchte schon ein Topf sein? Und wer sagt, dass wir nicht die Suppe sind?»
Gegen den Vorwurf des Sexismus wird sich die Serie «Mad Men» wohl noch oft verteidigen müssen: die Serie zeigt schliesslich eine Gesellschaftt, die sexistisch funktioniert. Doch «Mad Men» geht weit über ein einfaches Porträt der New Yorker Gesellschaft der 60er Jahre hinaus. Sie lässt ihre beiden Hauptfiguren vorführen, wie sich ein langsamer Wandel im Verhältnis der Geschlechter vollzieht. Weit weniger ironisch und werbetauglich als der zu Beginn zitierte Werbeslogan für «Mad Men», aber vielleicht doch treffender für die vierte Staffel wäre: «Hinter jeder erfolgreichen Frau steckt ein Mann in einer Krise».