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Film & Serien Von Sauerkraut- und Spaghettiwestern

Während man sich einen «Winnetou»-Film vielleicht noch aus nostalgischen Gründen ansieht, werden Italowestern bis heute kultisch verehrt, wie aktuell «Django Unchained» beweist. Vom Über-Apachen Winnetou zum zynischen Racheengel Django – die wichtigsten Etappen des Eurowesterns.

Als Geburtsjahr des Eurowesterns gilt gemeinhin 1962, als mit «Der Schatz im Silbersee» Karl Mays Apachen-Häuptling Winnetou die Leinwand eroberte. Der findige deutsche Produzent Horst Wendlandt (der Mann hinter den Edgar-Wallace-Filmen) hatte aus dem Nichts die mit 3,5 Millionen DM bis dahin teuerste deutsche Produktion der Nachkriegszeit aus dem Boden gestampft. Und es hatte sich gelohnt: «Der Schatz im Silbersee» war nicht nur ein riesiger Publikumserfolg, er erwies sich auch als wegweisend für die europäische Filmindustrie.

Orchestermusik und grandiose Landschaften

Winnetou kam zu einer Zeit, als nur noch wenige an den Western glaubten. In seiner Heimat, den USA, fristete das Genre gerade ein B-Movie-Dasein. In dieses Stimmungstief wuchtete Wendlandt mit Shatterhand und Winnetou Abenteuerfilme epischen Zuschnitts ins jugoslawische Blizwizer-Gebiet. Hier wurde zu schmissiger Orchestermusik viel geschossen und geritten, während die Kamera immer wieder über grandiose Landschaften schwenkte. Wurde mal geredet, dann entweder unendlich erhaben oder aber in Witzen, deren Harmlosigkeit bestens ins pathetische Gesamtbild passte.

Bewältigung der Nazi-Vergangenheit

Die «Winnetou»-Filme waren beim deutschen Publikum auch deshalb so beliebt, weil mit den Abenteuern des Apachenhäuptlings unverdächtig das noch vom Nazi-Wahn herrührende schlechte Gewissen entlastet werden konnte: Kaum eine Geste im BRD-Kino ist heute noch so präsent wie der Akt der Blutsbrüderschaft zwischen dem Deutschen Shatterhand und dem Indianer Winnetou. Galt den Nazis die Reinheit des Blutes als höchstes Gut, zeugte der Blutschwur - das Mischen von Germanen- mit Indianerblut - zwanzig Jahre später vom deutschen Bemühen um Bewältigung. «Winnetou» ermöglichte es den Deutschen, stellvertretend vor einer fremden Rassismustüre (jener der USA) zu kehren und so nachträglich eine Form der Völkersolidarität zu leben.

Die Filme auf SRF 1

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Winnetou I Freitagnacht 5.4.2013, 00:05 Uhr

Winnetou II Freitagnacht 13.4.2013, 00:05 Uhr

Winnetou III Freitagnacht 20.4.2013, 00.05 Uhr

Für ein paar Dollar mehr Freitagnacht 27.4., 00:05 Uhr

Mein Name ist Nobody Freitagnacht 21.6., 00:05 Uhr

Junge, unverbrauchte Schauspieler

Die Karl-May-Verfilmungen erwiesen sich, bis die Reihe um 1968 schliesslich in die ewigen Jagdgründe einging, in verschiedener Hinsicht als Jungbrunnen. Nachdem zuvor im westdeutschen Nachkriegskino noch die belastete Schauspielergarde aus der Nazizeit dominiert hatte, bekam das deutsche Publikum in den «Winnetou»-Filmen endlich junge, unverbrauchte Gesichter zu sehen, die, wie Mario Adorf, Rolf Walters, Karin Dor, Elke Sommer, Klaus Kinski oder Götz George, frisch von der Leber weg den Schurken, Witzbold, das Schätzchen oder aber den zupackenden Helden spielten.

Ein Bubentraum in Technicolor

An der Seite der deutschen Akteure spielte eine internationale Truppe ebenfalls unbekannter Schauspieler, darunter aus den USA Lex Barker, der Franzose Pierre Brice oder der Italiener Terrence Hill.

Sie alle prägten den Sauerkraut-Western, wie man die Karl-May-Verfilmungen in Abgrenzung zum italienischen Spaghetti-Western bald nannte, und mit ihm die Auferstehung des von Action getriebenen Abenteuerfilmes: ein Bubentraum in Technicolor. An genau diesen Erfolg anhängen wollten sich italienische Produzenten, als sie auf ihrer Suche nach erfolgversprechenden Genres für ihre Billigfilmindustrie, 1964 dem Sandalenfilmer Sergio Leone eine Handvoll Lire für ein Westernprojekt zusteckten.

Ohne Winnetou kein Django

Der Römer Leone interessierte sich aber nicht die Bohne für Indianerkriege und Völkerverständigung. Lieber führte der Italiener, als er 1964 mit Clint Eastwood seinen ersten Western «Für eine Handvoll Dollars» realisierte, das klassische US-Vorbild mit dessen Fixation auf der «Law & Order»-Problematik ad absurdum. Der italienische Wilde Westen befand sich im moralischen Niemandsland, in dem das Recht des Stärkeren galt. Hier tobte ein ewiger schmutziger Krieg zwischen Mächtigen und Ohnmächtigen, dessen absehbarer Ausgang nur zeitweise durch einen zynischen Pistolero, Revolutionär oder Racheengel – Django – aufgeschoben wurde.

Karl Marx statt Karl May

Dass in den 60er-Jahren der Held des Italowesterns und nicht der Über-Apache «made in Germany» zum Darling von protestierenden Arbeitern und Studenten wurde, hat seinen Ursprung im schwarz-romantisch gefärbten Herz des Spaghettiwesterns. Und in seiner Glorifizierung von Aussenseitern und Verfluchten, die als schweigende Racheengel aus der Hölle in der Wüste des Realen auftauchten.

Bei allen Überkreuzungen und Verbindungen trennen die Western deutscher Provenienz und jenen aus Italien Welten. Politisch gehörten die «Winnetou»-Filme ins Lager von Opas Kino, das heisst jener Altvorderen, die ihr Handwerk, wie beispielsweise der spiritus rector des Teutonen-Westerns Harald Reinl, noch in Joseph Goebbels Reichsfilmkammer gelernt hatten.

Revolutionswestern aus Italien

Bei den Italienern gaben hingegen Linke sowie undogmatische Geschäftemacher den Ton an. «Die Revolution ist kein Festessen, kein literarisches Fest, keine Stickerei. Die Revolution ist ein Akt der Gewalt» – martialisch mit einem Mao-Zitat führte Sergio Leone 1971 seinen Revolutionswestern «Giù la testa» ein. Der katholische Kommunist Pier Paolo Pasolini spielte im Italowestern «Requiescant» einen aufständischen Priester, und Franco Nero doziert in «Il Mercenario» (1968) anhand eines nackten Frauenkörpers darüber, wie das Kleinbürgertum (Rücken) verhindert, dass das Proletariat (Arsch) neben das Grosskapital (Kopf) zu stehen kommt.

Was ist geblieben?

Einen «Winnetou»-Film gönnt man sich heute wohl hauptsächlich aus nostalgischen Gründen. Er bringt zuverlässig die Rückkehr ins gelobte Land der Jugendträume, als man noch «Silberpfeil»-Comics las und davon überzeugt war, eigentlich ein Indianer zu sein. Viele Italowestern dagegen wirken bis heute frisch und werden weiter kultisch verehrt, wie jüngst «Django Unchained» beweist, die Verbeugung Quentin Tarantinos vor dem Genre.

Der Spaghetti-Western hat Spuren in der Kunstgattung Film hinterlassen. Die eigenwilligen Einstellungen, die elliptische Erzählweise, die rhythmisierte Montage, die Soundtracks (nicht nur jene Ennio Morricones), die comichaft übersteigerte Gewalt, die coolen Gesten und die Kunst zynisch-sarkastischer Sprüche bildeten einen Fundus, aus dem sich das ironisch-postmoderne Blockbusterkino später grosszügig bedient hat.

Zeitlos geblieben ist auch die Coolness von Italowestern-Ikonen wie Clint Eastwood oder Franco Nero, denn in ihrer Welt gibt es keine leeren Drohungen. Jedes Wort zählt, oder wie Gian Maria Volonté vor dem finalen Duell gegen Lee Van Cleef sagt: «Wenn die Musik endet, greif nach deiner Kanone!»

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