Die Fans des Animationsstudios Ghibli haben sich den Termin längst rot in der Agenda angekreuzt: Rechtzeitig zu Weihnachten gibt es in den Kinos «Die Legende der Prinzessin Kaguya» von Isao Takahata zu sehen. Ein weiteres Meisterwerk aus dem japanischen Traditionshaus, das insbesondere mit der erstaunlichen Karriere von Regisseur Hayao Miyazaki («Princess Mononoke») in Verbindung gebracht wird.
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Takahata hat das legendäre Studio Ghibli gemeinsam mit Miyazaki gegründet. Er stand allerdings zunehmend im Schatten seines Partners, zumal Takahatas letzter abendfüllender Film («My Neigbors the Yamadas») von 1999 stammt. «Die Legende der Prinzessin Kaguya» ist nun sein neuster und – bei diesem Produktionsrhythmus nicht auszuschliessen – sein letzter Film.
Schwelgen in japanischer Folklore
Die Kritik des Films selbst fällt kurz und euphorisch aus: Wer japanische Folklore liebt, wird in dieser Märchenverfilmung über zwei Stunden lang auf Wolken schweben. Bambus und Kirschblüten begleiten die herzergreifende Geschichte eines Mädchens, das auf übernatürliche Weise in die Welt kommt und gegen den eigenen Willen zur erhabenen Prinzessin erzogen wird, bevor seine wahre Herkunft enthüllt wird.
Die bis ins kleinste Detail ausgefeilte Ästhetik erinnert an Wasserfarben und Tusche und damit an klassische japanische Malerei – der Film lädt daher allein optisch zum Schwelgen ein. Man würde ihn seinen Kindern zeigen wollen, doch die Gefahr besteht, dass der behutsame Erzählfluss, die Überlänge des Films und die zahllosen Verweise auf japanische Sitten und Bräuche die Geduld der Kleinen eher strapazieren. Das hat auch der Schweizer Verleih verstanden, der den Animationsfilm fast ausschliesslich in der untertitelten Originalfassung in die Kinos bringt.
Ghibli: Ungewisse Zukunft
Doch die zahlreichen Ghibli-Fans verdrücken nicht nur wegen des traurigen Schicksals der Prinzessin Kaguya eine Träne: Mit dem Regisseur Isao Takahata verabschiedet sich, nach Hayao Miyazaki, der zweite kreative Veteran des Studios. Was danach kommt, steht in den Sternen. Einen vorerst letzten Film wird es mit Sicherheit noch geben: Der melancholisch anmutende «When Marnie Was There» von «Arietti»-Regisseur Hiromasa Yonebayashi steht bereit.
Auch Ghibli-Mitarbeiter Goro Miyazaki, Sohn des Studio-Aushängeschilds, hat unlängst eine Anime-Version des Astrid-Lindgren-Klassikers «Ronja Räubertochter» als TV-Serie auf den Markt gebracht – doch diese ist, ungeachtet ihrer Qualität, eher ein externer Ableger als eine Fortführung der Tradition des Hauses Ghibli. Dass der Sohn in der Zukunft die Fäden zusammenhält gilt als unwahrscheinlich. Offiziell kommuniziert wird von Ghibli für 2015 eine Denkpause, eine Phase der Neustrukturierung – doch was auch immer folgen mag, dieses aktuelle Werk entfaltet sich als Schwanengesang in seiner ganzen, vielleicht unwiederbringlichen Schönheit.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Reflexe, 18.12.2014, 10:03 Uhr.