Michelle Obama in einer Gesprächsrunde mit Jugendlichen. Zu Besuch im Altersheim. Mit ihrer Mutter und ihrem Bruder im früheren Zuhause.
Der Netflix-Dokumentarfilm «Becoming» zeigt die ehemalige First Lady volksnah und sympathisch. Die Aufnahmen entstanden während Obamas Buch-Tour im Jahr 2018. Damals reiste sie durch die USA und stellte ihre Autobiografie vor.
Kritische Stimmen – Fehlanzeige
Michelle Obama erzählt im Doku-Film über ihre Jugend, motiviert Minderheiten, macht Spässe.
Kein Thema: Ihre Schwächen. Oder die teilweise horrenden Ticket-Preise für ihre Lesungen: Bis zu 1000 Dollar kosteten sie, auf Internet-Plattformen wurden sie für ein Vielfaches weiterverkauft.
Kritische Stimmen hört man im Film nicht. Kein Wunder – produziert wurde er von Michelle und Barack Obamas eigener Produktionsfirma Higher Ground Productions, die einen Deal mit Netflix hat.
Dokus als Folge von Social Media
Immer mehr Prominente produzieren Dokus über sich selbst. Das erstaune im Zeitalter von sozialen Netzwerken nicht, sagt Andrea Vogel. Sie arbeitet in der Film-Promotion.
«Stars kuratieren ihr Image durch Social Media viel intensiver als früher», sagt Vogel. «Sie haben viel mehr Einfluss darauf, wie sie sich in der Öffentlichkeit präsentieren.»
Das funktioniert mit einem Dokumentarfilm noch besser als mit Instagram und Co. Denn eine Doku wirkt glaubwürdig und authentisch. Das hat auch Michael Jordan erkannt: Die Doku-Serie «The Last Dance» über die Basketball-Ikone ist seit Kurzem auf Netflix.
Was im Abspann unterschlagen wird: Jordans eigene Produktionsfirma hat mitproduziert. So erstaunt es nicht, dass heikle Themen wie Jordans Spielsucht oder seine tyrannische Art gegenüber Teamkollegen heruntergespielt werden.
Auch die Sängerinnen Taylor Swift, Lady Gaga oder Beyoncé haben selbst Dokus produziert. Die Liste liesse sich verlängern.
Streaming-Plattformen fördern Star-Dokus
Streaming-Plattformen fördern solche Filme. Sie sind relativ günstig in der Produktion und interessieren ein breites Publikum.
Es kann sich lohnen, den Star als Produzenten zu haben. Um an private Bilder und Informationen zu kommen, sind die Filmemacher oft auf die Zusammenarbeit angewiesen. Schon allein aus rechtlichen Gründen.
Zumindest solange die Prominenten noch leben. Kritische Filme werden oft erst nach dem Tod veröffentlicht.
Zum Beispiel über die Musikerinnen Amy Winehouse oder Whitney Houston. «So lange der Star lebt, kontrolliert er alles», sagt Andrea Vogel.
Die Zuschauerinnen sind gefragt
So bekommen die Fans zwar Einblicke, die sie sonst nicht bekommen. Problematisch sei aber, wenn die Mitarbeit der Prominenten nicht klar deklariert ist, sagt SRF-Filmexperte Enno Reins. Die Zuschauenden müssten wissen, dass das, was sie unterhält, auch clevere PR ist.
«Wenn ich weiss, dass ein Star mitproduziert hat, dann erwarte ich auch nichts Überraschendes oder Kritisches», sagt er.
Bei Michelle Obama ist die Rechnung aufgegangen. Ihre Autobiografie war bereits ein Bestseller. Auf den Filmstart von «Becoming» wurde sie nochmals nachgedruckt.