Die Welt war schockiert und fasziniert, als die schöne Catherine Deneuve sich in den ersten Minuten von «Belle de jour» halbnackt auspeitschen liess.
Der Film von Luis Buñuel handelt von einer frigiden Ehefrau, die sich nachmittags heimlich prostituiert. Das war 1967. Catherine Deneuve war 24 Jahre alt und in Frankreich längst ein Star.
(Film-)Adel verpflichtet
Als Kind hatte sie, Catherine Fabienne Dorléac, zusammen mit ihren Schwestern amerikanischen Filmkindern ihre Stimmen geliehen; Vater Maurice Dorléac war Chef der französischen Synchron-Abteilung von Paramount.
Aber die ernsthafteren Schauspielambitionen hatte Catherines jüngere Schwester Françoise Dorléac. Diese überredete Catherine zu einer kleinen Rolle an ihrer Seite. Um nicht gleich als Schwester erkannt zu werden, gab Catherine den Familiennamen ihrer Mutter an – und wurde ihn nie mehr los.
Ab 1960 begannen sich nicht nur die Regisseure für die strahlend schöne junge Frau zu interessieren.
Mit Franco-Rocker Johnny Hallyday spielte sie in einem Sketch, der Schlagzeilen machte. Nicht weniger skandalös war ihre Beziehung zum 15 Jahre älteren Regisseur Roger Vadim, der Brigitte Bardot zum Weltstar gemacht hatte.
Mehr als nur ein Liebling der Massen
Während Deneuve sich in Frankreich durch Jacques Demys Musical «Les Parapluies de Cherbourg» (1964) in die Herzen spielte, erlebte die Welt sie 1965 schockierend anders.
In Roman Polanskis «Repulsion» bringt sie einen Mann um, als verstörte junge Frau, die in ihrem Londoner Appartement zunehmend Albtraum-Attacken ausgesetzt ist.
Ihre vielen höchst unterschiedlichen Rollen, ebenso wie ihre Beziehungen und Freundschaften, sorgten für stetig wachsenden Starkult weit über Frankreich hinaus.
Viele Rollen bringen viele Césars
Die Welt interessierte sich lange vor allem für Deneuves kühlen Sex-Appeal, dabei zeugte ihre Rollenwahl schon früh von immenser Bandbreite.
Erst mit François Truffauts «Le dernier métro» (1980) konnte sie in der Rolle einer erwachsenen – und vor allem verantwortungsvollen – Frau brillieren. Als Gattin des jüdischen Theaterdirektors Lukas Steiner versteckt sie diesen im Keller seines Pariser Theaters während der Nazi-Besatzung und steuert den Betrieb souverän durch die antisemitische Repression.
Der Film brachte ihr ihren ersten «César» ein. Und so viel Hollywood-Appeal, dass sie 1983 an der Seite von David Bowie in «The Hunger» eine verführerische, jahrtausendealte Vampirin spielen konnte. Spätestens mit dieser Rolle war sie endgültig ein internationaler Filmstar.
Eine Königin auf Abwegen?
Heute kann man Catherine Deneuve ohne Übertreibung als eine von Frankreichs wenigen realen Königinnen bezeichnen. Dass ihr nationaler Status längst dynastische Züge angenommen hat, zeigen auch die Filmkarrieren ihres Sohnes Christian Vadim und ihrer Tochter Chiara Mastroianni.
Unumstritten ist Deneuve aber nicht. Ihre Kritik an der #Metoo-Debatte handelte ihr den Zorn von Frauenrechtlerinnen ein. Sie hatte einen Brief unterzeichnet, der behauptet, #Metoo habe ein «Klima einer totalitären Gesellschaft» geschaffen.
Deneuve konterte, dass sie immer Feministin gewesen sei. Schliesslich gehöre sie zu den «343 Schlampen», die Simone de Beauvoirs Manifest «Ich habe abgetrieben» unterzeichnet hätten.