Hinter seiner riesigen schwarzen Hornbrille blitzen hellwache Augen, umspielt von Hunderten von Lachfältchen. George Andrew Romero hat ein paar der furchterregendsten Horrorfilme des 20. Jahrhunderts gedreht.
Aber an diesem Morgen vor zehn Jahren, am Ufer des Neuenburgersees, entpuppt er sich als fröhlicher und liebenswürdiger Menschenfreund. Er halte sich an ein Diktum von Horror-Autor Stephen King, sagt er. Er habe keine Alpträume, weil er sie alle an uns weiterreiche.
Zombies der Moderne
Mit ein paar Freunden und etwas über 100'000 Dollar drehte er 1967 als junge Kunststudent in Pittsburgh «Night of the Living Dead». «Die Nacht der lebenden Toten» war eine Reaktion auf den Vietnamkrieg und den Rassismus der Zeit.
Romero hat die Zombies nicht erfunden. Das Konzept stammt aus der haitianischen Voodoo-Tradition. Aber «Night of the Living Dead» machte den Schritt in die Moderne.
«Mir macht Angst, was Menschen einander antun»
Die lebenden Toten des Films waren die Angehörigen und Nachbarn der Protagonisten, die plötzlich zu hirnlos mörderischen Gegnern wurden. Der wahre Horror des Films bestand in dem, was die Überlebenden mit den Zombies machten.
«Mir macht Angst, was Menschen einander antun», sagte George Romero: «Ich mache Filme über Menschen, nicht über die Monster.»
Die unmenschlichen Menschen
Die Monster tauchten bei Romero ohne Erklärung auf. Sie zeigten, wie leicht sich Menschen in Monster verwandeln. Die Zombies in Romeros Filmen waren zwar Schreckensgestalten. Dies aber vor allem darum, weil sie die Menschen dazu brachten, ihre Menschlichkeit aufzugeben.
Etwa in jener Szene in Romeros erstem Zombie-Film, in dem ein paar Männer zum Vergnügen Zombies aus sicherer Distanz über den Haufen schiessen.
Spiegel der Entmenschlichung
Die heutigen Zombies in Serien wie «The Walking Dead» stellen zwar eine Gefahr für die Lebenden dar. Letztlich sind sie aber nur ein Spiegel der Entmenschlichung, die einsetzt, wenn jegliche Solidarität verloren geht.
Die wahren Monster in «The Walking Dead» sind jene Überlebenden, die keine Skrupel mehr haben. Wenn die Tochter der Hauptfigur gebissen und selber zum Zombie wird, trifft sie keine Schuld. Aber für ihre Familie wird sie plötzlich zur mörderischen Gefahr.
Keine Angst vor Monstern
Für diese Entmenschlichung interessierte sich George A. Romero Zeit seines Lebens. In seinen letzten Filmen, « Diary of the Dead » und «Survival of the Dead», bilden die Untoten gar eine Art Interessengemeinschaft. Sie solidarisieren sich untereinander und wehren sich gegen ihre Abschlachtung durch die Menschen.
Er fürchte sich nicht vor Monstern, erklärte Romero im Gespräch vor zehn Jahren. Auch nicht vor Geistern, er würde lieber einen treffen. Und auch ein Alien würde er gerne treffen – es würde sich vielleicht ja gar als Weltretter entpuppen.
Kritik an der amerikanischen Gesellschaft
Mit der zunehmend unsolidarischen Gesellschaft in den USA, den überfüllten Gefängnissen und den immer grösser werdenden Unterschieden zwischen Arm und Reich bekundete Romero seine Mühe. Ein paar Jahre lebte er gar in Kanada, weil er sein Land nur noch schwer ertrug.
Denn das sei es letztlich, was ihn wirklich fertigmache, sagte der Erfinder der modernen Zombies: Was wir Menschen uns gegenseitig antun.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 17.07.2017, 17:08 Uhr