Knaller zum Kichern: Nur schon die Szene, in der Lara Stoll mit der Dienstwaffe ein fremdes Fahrradschloss öffnet. Ein Regelverstoss? Mag sein. Aber es eilt, und der Polizeiwagen will nicht anspringen.
Die Slam-Poetin spielt in der SRF-Krimiserie «Advent, Advent» eine tablettensüchtige Polizistin mit veritabler Weihnachtsaversion, die stets ihren Berufskollegen Gabriel Vetter an der Backe hat. Oder zur Abwechslung auf dem Gepäckträger.
Wo führt das hin? Höchste Zeit, mit der frisch gebackenen Gewinnerin des Salzburger Stiers ein ernstes Wörtchen zu reden – über Krimis und Komik, Terror, Tod und ein T-Shirt, das tief blicken lässt.
SRF: Sicher kein Zufall, dass Sie im Shirt mit der Aufschrift «Fuck the Police» hier sitzen. Wie oft haben Sie auf die Polizeiuniform geschimpft, die Sie in «Advent, Advent» in fast jeder Szene tragen?
Lara Stoll: Ich war froh um meine fette Uniform. Es war arschkalt, als wir die Serie drehten.
Ich hege trotzdem den Verdacht: «Polizistin» stand auf keinem Ihrer frühkindlichen Berufswunschzettel.
Das könnte täuschen. Ich liebe Krimis. Kriminologie ist cool. Aber ich romantisiere natürlich den Beruf der Polizistin. Woran die ganzen Serien schuld sind, denen ich naiv alles abnehme. «Fuck the Police» entspricht eher meiner Lebenshaltung.
Polizistin wie Poetin: Beide sind sie auf der Suche nach der Wahrheit.
Auf der Bühne sucht man halt immer eine Wahrheit, die alle anderen noch nicht entdeckt haben. Meine Nummern kreisen ja oft um meine Probleme im Alltag. Wenn ich nicht in der Schweiz leben würde, hätte ich ganz andere Themen. Was ich auf der Bühne mache, ist doch Wohlstandsgeficke.
Wie seltsam ist es für die gestandene Slampoetin, vor der Filmkamera auswendig gelernte Texte aufzusagen, die aus fremder Feder stammen?
Ich hätte nie gedacht, dass das so angenehm ist.
In «Advent, Advent» haben Sie früh den vielsagenden Satz: «Ich gebe mir die Kugel, bevor ich je einen Christbaum schmücke.» Wie schlecht ist Lara Stoll auf Weihnachten zu sprechen?
Ich liebe Weihnachten über alles. Ich bin ein Weihnachtstier – oft zu meinem eigenen Erstaunen. Das ist aber auch das Einzige, was mich von dieser Polizistin unterscheidet, die ich spiele.
Ich habe schon auf Drogen gedreht, um authentisch verladen zu wirken
Für Ihre Serienfigur ist die Weihnachtszeit die Hölle. Ihre schlimmste Erinnerung an das besinnliche Beisammensein unter dem Baum?
Der Kater am Morgen danach. Früher ging ich mit meinem Bruder an Heiligabend immer in eine Bar. Unsere Eltern mussten uns Jahr für Jahr sternhagelvoll mit dem Auto abholen.
Irgendwann beschlossen wir, zuhause zu bleiben und mit Vater «Monopoly» zu spielen. Das ging auch bis um sechs. Nur waren wir noch betrunkener, und der Kater war noch schlimmer.
Womit wir beim Thema Drogen wären, die Sie als pillensüchtige Polizistin schon mal am Tatort einwerfen. Wie halten Sie es mit dem zuletzt etwas aus der Mode geratenen Modewort «Method Acting»?
Ich habe bei eigenen Projekten schon auf Drogen gedreht, um authentisch verladen zu wirken. In diesem Falle hätte das nicht funktioniert.
Noch so eine Punchline aus Ihrem Polizistinnenmund, prominent platziert auf dem Weihnachtsmarkt in der pittoresken Provinz: «Ein kleiner Terroranschlag wäre jetzt geil.»
Das Verrückte ist ja: Das ist einer der ersten Sätze, die ich in dieser Serie habe.
Wäre er bei Ihnen auf der Bühne denkbar?
Das ist der Punkt: Es ist nicht mein Satz, sondern der einer Figur in einem fiktionalen Universum. Einer Figur darf man immer alles in den Mund legen.
Und doch hat das eine Tonalität, die man im Schweizer Fernsehen nicht alle Tage hört. Haben Sie leer geschluckt, bevor Sie Ihren Terrorwunsch laut äusserten?
Die Brutalität in «Advent, Advent» fasziniert mich. Da geschehen schlimme Morde. Ein Mann steckt seine Frau in den Häcksler! Trotzdem könnte man sich die Serie um sechs Uhr abends anschauen, weil alles so süss, lieblich und märchenhaft daherkommt.
Schwierig an meinem Satz ist, dass man die Person, die ihn äussert, nicht gleich ablehnt. Ich bin dann mal gespannt, wie die Leute auf mich reagieren.
Sie machen sich Sorgen um Ihr Image?
Voll nöd!
Warum mussten Sie eigentlich unbedingt Slam-Poetin werden?
Ich würde jetzt gerne sagen, es habe mit einer einsamen Kindheit im Thurgau zu tun. Vermutlich hat es das sogar auch. Was ich sicher sagen kann: Ich habe früh eine lebhafte Fantasie entwickelt. Und diese Dingliebe.
Dingliebe?
Ich habe mit Türfallen gesprochen. Ich habe in allen Dingen eine Energie gesehen, ein Gegenüber. Es gibt frühe Texte von mir, in denen ich mit dem Besteck rede. Ich war die Träne von Roger Federer!
Wollen wir noch das Verhältnis fragwürdig finden, das Sie in «Advent, Advent» mit Ihrem Polizistenkollegen Gabriel Vetter verbindet? Bitte aus feministischem Blickwinkel.
Weil er mich bis ins Badezimmer verfolgt?
Weil er, um es vorsichtig zu sagen, nicht mehr ganz da ist und trotzdem immer alles besser weiss.
Aber er ist mir stets unterlegen. (lacht) Die beiden harmonieren bestens.
«Ich war ja auch noch nie tot», ist ein Running Gag, der eine Lachspur durch diese Krimiserie legt. Wie stellen Sie sich das Tot-Sein vor?
Eine Existenz als Sternenstaub… Ich glaube, die Moleküle bleiben irgendwie im Universum. Aber man ist nicht mehr. Oder eben doch? Da scheiden sich ja die Geister. Tot zu sein scheint mir beängstigend und entspannend zugleich.
Sie fallen aber nicht tot um, sobald die Scheinwerferlichter ausgehen.
Im Gegenteil. Ich will nicht sagen, ich sei tot auf der Bühne. Aber ich brauche sie nicht zu meinem Glück.
Das Gespräch führte Stefan Gubser.