Zugegeben, die Idee einer «Barbie»-Realverfilmung hat mich vorab nicht interessiert. Als Junge war ich eher der Star-Wars und Schlümpfe-Typ. Und die Animationsfilme, die ich irgendwann mal gesehen habe, waren grauenvoll.
Mein Interesse wurde auch nicht grösser durch die Tatsache, dass das US-Autorenfilmduo Greta Gerwig und Noah Baumbach das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, obwohl ich die zwei sehr mag. Die wollen sicher nur Geld machen, dachte ich.
Barbie-Hype im Netz
Doch ich wurde über Monate weichgekocht: Im April 2022 ploppte bei mir auf Social Media das erste Foto von Hollywoodstar Margot Robbie als Barbie auf: künstlich, comicartig, bunt, aber irgendwie faszinierend.
Immer mehr Bilder tauchten auf. Dazu absurde Meldungen wie die, dass Hollywood und dem Rest der Welt wegen der Filmbauten die Farbe Rosa ausgegangen sei.
Der Höhepunkt der Barbie-Berieselung war erreicht, als ich bei Google die Suchbegriffe «Barbie» und «2023» eingab und die Suchmaschine sich rosa färbte. Da war ich bereit für den Film. Ich wusste nicht viel, nur, dass Barbie in die echte Welt reisen würde. Das liess viele Möglichkeiten zu.
Plot bis zuletzt unter Verschluss
Auf der Fahrt zum Kino begann ich zu spekulieren: Würde Barbie die Welt retten? Unlustig. Würde die Blondine Jura studieren, was ihr keiner zutraute? Gab es schon.
Oder würde Ken sich outen und eine depressive Barbie deshalb eine Beziehung mit einem intellektuellen Poolreiniger mit Doktortitel eingehen? Das klang immerhin ein wenig nach Gerwig und Baumbach.
Ein paradiesisches Matriarchat
Gleich vorweg: «Barbie» ist eine schnelle, schrille, überdrehte, herrlich alberne Satire mit feministischer Botschaft: gnadenlos überzeichnet, Camp pur.
Die Geschichte: In Barbieland leben die Barbies und Kens glücklich zusammen in einem bunten Spielzeugparadies. Die Frauen sind Bauarbeiterinnen, Ärztinnen, Politikerinnen (laut New York Times hatte Barbie in den letzten sechs Jahrzehnten 250 verschiedene Jobs).
Die Barbies haben klar das Sagen, die Kens spielen bloss zweite Geige. Schöne feministische Welt. Aber so würde es nicht bleiben, da war ich mir sicher.
Schock in der realen Welt
Eines Tages träumt eine Barbie (Margot Robbie) vom Tod. Um diese düsteren Gedanken loszuwerden, muss sie in die reale Welt reisen (warum, wäre zu kompliziert zu erklären). Dort erlebt sie den grossen Schock: Frauen sind nicht an der Macht.
Der mitgereiste Ken (Ryan Gosling) hingegen findet Machotum und Chauvinismus cool und bringt das Patriarchat nach Barbieland.
Ich hatte es also mit einem konventionellen Weltrettungsplot zu tun. Das habe ich dem Spektakel aber inzwischen verziehen, da es ansonsten sehr lustig war.
Konzept von Mattel geht auf
Ich war schon ein wenig überrascht, dass eine Komödie, die vom «Barbie»-Hersteller Mattel produziert wurde, eine so klare feministische Kampfansage war. Dazu gab es eine Dosis Selbstkritik, als eine Teenagerin Barbie erklärt, die Puppe würde Mädchen ein falsches Schönheitsideal vermitteln.
Das Kino habe ich total gut gelaunt verlassen. Aber schon in der Tram war mir klar, dass ich in eine Falle getappt war. Ich hatte den perfekten Werbefilm für die Puppe gesehen. Hätte ich ein Kind, das im Alter wäre, mit Barbie-Puppen zu spielen, ich wäre direkt einkaufen gegangen.
Kinostart: 20. Juli 2023