Recklinghausen 1972: Der 9-jährige Hans-Peter erzählt von seinem Leben im Ruhrpott. Heute ist er bekannt als Komiker Hape Kerkeling. Damals unterhielt der kleine Entertainer mit seinen Gags die ganze feierwütige Verwandtschaft.
Besonders unter unangenehmen Umständen zeigt sich sein Talent. Oft nimmt er eine peinliche Situation und zaubert daraus eine urkomische Parodie. Seine Witzigkeit kennt offenbar keine Grenzen.
Doch dann legt sich ein Schatten über die Familie. Hans-Peters Mutter verlässt der Lebensmut, nachdem sie bei einer Operation ihren Geruchs- und Geschmackssinn verloren hat. Hans-Peter verbringt daraufhin seine ganze Zeit mit dem Versuch, seine Mutter aufzumuntern.
Das klügste Zitat
Hans-Peter will zum ersten Mal auf seinem neuen Pferd reiten. Alle Freunde und Verwandten schauen zu, wie er versucht, auf den Sattel zu klettern. Sein Übergewicht erschwert ihm die Sache aber sichtlich.
Schlussendlich schafft er es mit viel Hilfe, auf den Pferderücken zu kraxeln. Er sitzt nun aber verkehrt herum auf dem Pferd.
Schliesslich hört man Hans-Peters Erzählstimme sagen: «Dann muss man sich eben entscheiden. Ob man unfreiwillig komisch sein will. Oder ob man seine peinliche Erscheinung gezielt einsetzt.» Der Junge streckt seine Arme aus und lässt sich bejubeln.
Der Junge
Julius Weckauf spielt den jungen Hape Kerkeling. Vor dem Dreh hatte der 10-Jährige keine Erfahrung als Schauspieler. Er folgte einem Radioaufruf, bei dem nach Jungen gesucht wurde, die Kerkeling ähnlich sehen. Seine Bekannten meinten, Julius wäre wie geschaffen für diese Rolle.
In vier Castings stellte er sein Talent unter Beweis, bis schliesslich feststand, dass er die Hauptrolle bekam. Für den Dreh gingen Julius’ ganze Sommerferien drauf und er wurde mehrere Wochen von der Schule freigestellt.
Julius ist Hape nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hat auch den gleichen Humor wie sein Vorbild. Man kauft ihm den kleinen Entertainer sofort ab. Seit dem Dreh steht für den jungen Weckauf fest: Er möchte Schauspieler werden.
Fakten, die man wissen sollte
«Der Junge muss an die frische Luft» ist die Verfilmung der gleichnamigen Autobiografie von Hape Kerkeling. Unter anderem geht es um seine Kindheit. Das Buch erschien im Oktober 2014.
Zwei Jahre später befand es sich auf Platz zwei der Sachbuch-Bestsellerliste der Zeitschrift Spiegel. Kritiker lobten vor allem den Tiefgang der Biografie, die es schafft, humorvoll und trotzdem berührend zu sein.
Das Urteil
Der pummelige Julius Weckauf ist mit seiner unverbrauchten, authentischen Art die perfekte Besetzung für die Titelrolle. Köstlich, wie er sein Umfeld zu imitieren weiss – besonders die Damen.
Kerkeling fasste die Absicht des Stoffs einst so zusammen: Es geht um die positiven Dinge, die aus einem extrem traurigen Ereignis resultieren können. Der Kinofilm erreicht dieses hohe Ziel spielend.
Am Schluss driftet das Biopic leider etwas ins Kitschige ab, als der 54-jährige Hape selbst seinem jüngeren Ich vielsagende Blicke zuwirft. Davon abgesehen überzeugt die Tragikomödie – sowohl in ihren emotionalen, als auch in ihren lustigen Momenten.
Kinostart: 25.12.2018