Am 19. März 2023 war für die Credit Suisse das Spiel aus. Wie im Casino hiess es: Rien ne va plus. Die ewige Konkurrentin UBS schluckte im Einvernehmen des Bundes die Grossbank, um Schlimmeres abzuwenden.
Doch wie konnte es so weit kommen? Simon Helblings Dokumentation «Game Over – Der Fall der Credit Suisse» datiert die Ursprünge des Übels weit zurück – in die 1970er-Jahre.
Damals öffnete sich der Finanzmarkt: Er wurde internationaler, instabiler und anspruchsvoller. Die noch hauptsächlich unter ihrem deutschen Namen Schweizerische Kreditanstalt (SKA) agierende Traditionsbank suchte daraufhin das Risiko. Was sich – auf Kosten des einen oder anderen Skandals – zunächst auszuzahlen schien.
Risky Business
Als Folge davon verschob das einst lokal verankerte Zürcher Geschäftshaus seinen Fokus immer mehr in Richtung globales Investment-Banking. Bereits 1978 begann die Zusammenarbeit mit der amerikanischen First Boston Corporation, welche schliesslich in die CS First Boston mündete. Ein finanzhistorischer Schlüsselmoment, den man aber auch auf Wikipedia nachlesen könnte.
Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann bestätigt, dass der anschaulich gestaltete Film kaum «ganz neue Erkenntnisse» ans Licht bringe. Trotzdem lohne sich ein Kinobesuch: «Die Doku ist empfehlenswert, weil sie das, was wir wissen, gut zusammenfasst und erklärt.»
Wirklich aufsehenerregend sei zudem die von Autor Arthur Rutishauser recherchierte Tatsache, «dass es im Jahr 2022 – also noch vor dem Untergang – Versuche gab, die CS rechtzeitig zu sanieren.»
Verpasste Rettung
Was der Film umreisst, hat die von Chefredaktor Rutishauser geleitete Sonntagszeitung inzwischen mit weiteren Aussagen untermauert: Die Abstossung des defizitären Investmentgeschäfts hätte die Credit Suisse wohl gerettet.
US-Starbanker Bob Diamond gab zu Protokoll, dass Barclay für eine Übernahme dieses Teilbereichs fünf Milliarden Dollar bezahlt hätte. Was deutlich mehr ist, als die drei Milliarden Franken, welche die UBS ein knappes Jahr später für die ganze Bank berappen musste.
Falsche Entscheide, die von den falschen Leuten getroffen wurden, besiegelten für Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann den Untergang: «Das ist für mich der Schlüssel zum Verständnis der CS-Krise. Zugleich wundere ich mich, warum es nach einer Serie von Fehlschlägen nicht gelungen ist, die wirklich besten Leute an die Spitze zu bringen.»
Moralischer Bankrott
Die Männer, die seit 2007 am Ruder waren, verfolgten nicht primär die Interessen der CS – sondern die eigenen. Auf der Jagd nach immer höheren Boni griffen CEOs wie Brady Dougan und Tidjane Thiam zu immer dreisteren Buchhaltungstricks. Im Wissen, juristisch so gut wie unanfechtbar zu sein, verschlang der Egoismus der Manager jegliches Verantwortungsgefühl.
«Inkompetenz ist an sich nicht illegal», resümiert Tobias Straumann am Ende unseres Gesprächs mit einem leicht resignierten Lächeln: «Deswegen kann man es nicht so einfach bestrafen.» Finanzministerin Karin Keller-Suter, die 2023 durch das CS-Debakel in Teufels Küche kam, pflichtet ihm im Film bei: «Anstand ist nicht gesetzlich regelbar.»
«Gier essen Seele auf», hätte Rainer Werner Fassbinder mit Blick auf die CS-Skandale von Chiasso bis Mosambik wohl getitelt. Simon Helblings Doku ist nicht ganz so geistreich. Doch sie bietet zumindest etwas: moralisches Versagen im fesselnden Zeitraffer.
Kinostart: 27.3.2025