Ob er Kinder holt, Mütter oder ältere Menschen: Der Tod ist immer brutal für jene, die zurückbleiben. «Handling the Undead» widmet sich zunächst den Hinterbliebenen von drei eben erst Verstorbenen und erzählt in langen, wortkargen Szenen von ihrer Trauer.
Da sind die Mutter und der Grossvater eines kleinen Jungen, der unlängst verunglückt ist. Während die Mutter mechanisch ihren Alltag verrichtet, sitzt der Grossvater stundenlang am Grab des Enkels und schläft auf dem frisch aufgeschütteten Erdhügel.
Eine ältere Frau steht derweil am offenen Sarg ihrer verstorbenen Partnerin und verabschiedet sich leise. Zurück im feudalen Zuhause liegt sie im grossen Bett und fasst hinüber zur leeren Seite.
Und eine vierköpfige Familie verliert die Mutter bei einem Autounfall, just am Vorabend des zwölften Geburtstags des Sohns. Sie verunglückt, als sie dessen Geburtstagsgeschenk abholen will. Ein Kaninchen.
Tot oder doch nicht?
Doch als der Mann am Krankenhausbett seiner toten Frau sitzt, bewegt sie sich plötzlich. Das Personal beginnt mit Untersuchungen, der Mann wird nachhause geschickt. Auf die Frage der Tochter, ob die Mutter nun tot sei, kann er nur antworten: «Ich weiss es nicht».
Zur gleichen Zeit hört der Grossvater, der auf dem Friedhof über dem Grab seines Enkels eingeschlafen ist, Klopfgeräusche. Hektisch gräbt er und holt das Kind wieder aus dem Grab. Und die verstorbene Partnerin der trauernden alten Frau, die steht plötzlich wieder im Wohnzimmer. Einfach so.
Wieder da – und doch nicht anwesend
Die Toten sind zurück, die Lebenden zunächst unendlich glücklich darüber. Doch diese lebenden Toten, sie haben zwar die Augen offen, scheinen aber nicht wirklich zu sehen. Sie sprechen nicht, sie bewegen sich auch nur sehr langsam.
Das Wort «Zombie» wird zwar nie genannt, aber die zurückgekehrten Toten erfüllen alle Merkmale des Genres. Ausser, dass sie zunächst noch friedlich sind. Wobei friedlich zu viel gesagt ist.
Es sind in der Tat wirklich nur Leichen, die sich bewegen. Und die Angehörigen dazu bringen, sich ihrer Trauer und ihrem Verlust zu stellen. Denn deren Trauer ist mit der Rückkehr ihrer Toten nicht vorbei, im Gegenteil.
Die Subjekte – oder eher Objekte – ihrer Trauer haben sich materialisiert, können berührt und umarmt werden. Und sind dennoch nicht mehr da.
Die Melancholie der Untoten
«Handling The Undead» ist eine wunderbar melancholische Variante des Zombie-Genres, das sich mehr für psychologische Vorgänge interessiert, als für die blutige Seite.
Arthouse meets Genrekino: Das können die Skandinavier besonders gut. «Let the Right One In» etwa, das war dieser ebenso melancholische Vampirfilm von 2004.
Die atmosphärische Nähe ist kein Zufall: «Handling the Undead» stammt aus der gleichen Feder – der des Drehbuchautors John Ajvide Lindqvist. Fans des klassischen Zombiefilms sollten sich aber von der langsamen, ruhigen Gangart des Films nicht abschrecken lassen.
Regisseurin Thea Hvistendahl beherrscht das Genre bis ins Detail (auf Bild- und Tonspur gleichermassen) und zieht zum Ende hin die Genreschraube dann doch noch an.
Entstanden ist ein wunderbarer, abgerundeter Film. Ein Film, der sich gar nicht entscheiden muss, ob er Arthousekino oder Genrefilm sein will. Denn er vereint beides meisterhaft zu einem sehr eigenwilligen und schönen Werk.
Kinostart: 18.7.2024