Als im Jahr 2000 ein paar Film-angefressene Studierende in Neuenburg ein Festival für fantastischen Film gründeten, war das ein Akt der Liebe. Denn die Filme, für die diese Pionierinnen und Pioniere brannten, galten in hehren Filmkunstkreisen als Schund und Kommerz.
Dabei dienten Horror, Fantasy, Science-Fiction und das populäre, hierzulande eher unbekannte asiatische Kino dem kommerziellen Hollywood-Kino immer wieder als Gewürzregal.
Man denke nur an «The Matrix» von 1999, der Kung-Fu und Science-Fiction zu Popkultur-Mainstream machte, oder den japanischen Horror-Hit «Ringu» aus dem Jahr 1998, den Gore Verbinski vier Jahre später als «The Ring» mit Naomi Watts amerikanisierte.
Erst ignoriert, dann geschätzt
Während die Deutschschweizer Medien im Jahr 2000 das neue Festival in Neuchâtel noch übersahen, begrüsste «L’Hebdo» die Initiative: «Viel zu viele Sterbliche tun das fantastische Kino ab als Unterhaltungsmist für debile Popcornfresser.»
Drei Jahre später merkte auch die Deutschschweiz auf: Da bewegt sich was in der Romandie. In der Berner Zeitung zitierte der heutige SRF-Kollege Benedikt Eppenberger den «Twin Peaks»-Schöpfer David Lynch: «Filmemachen muss unter die Oberfläche gehen, sonst macht es keinen Spass.»
Eine herausragende Eigenschaft des fantastischen Films sei es, dass er unter der Oberfläche wegtauche, und dahinter die bizarrsten Spiegelungen sichtbar mache.
Und die Zeitschrift «Annabelle» meinte: «Die meisten Streifen, die am dritten internationalen Festival des fantastischen Films gezeigt werden, sind zu schräg, als dass sie je im Kino gezeigt würden. Doch gerade das macht das NIFFF in Neuenburg für Liebhaberinnen von Grusel- und Alienfilmen zum einzigartigen, weil einmaligen Genuss.»
Das Genre ist rehabilitiert
Abgesehen vom herabwürdigenden «Streifen» als Synonym für Film hatte die «Annabelle» damals Recht: Was am NIFFF gezeigt wurde, fand kaum den Weg in die Schweizer Kinos. Und «seriöse» Festivals wie die Berlinale hatten dafür höchstens eine Mitternachtsschiene.
Heute ist das anders: Drei der heuer am NIFFF gezeigten Filme kommen unmittelbar ins Deutschschweizer Kino. «Immaculate» – der Nonnen-Horror mit Shooting-Star Sidney Sweeney, «Handling the Undead» – ein ungewöhnlicher nordischer Zombiefilm, der mehr die Trauer betont als den Schrecken, und «MaXXXine» – der Abschlussfilm der US-Trilogie um ein mörderisches Porno-Sternchen, das den Sprung zum Hollywoodstar geschafft hat.
Andere Filme im diesjährigen Wettbewerb des NIFFF haben ihre Karriere gar an den «grossen» Festivals begonnen, etwa «Des Teufels Bad» von Veronika Franz und Severin Fiala, oder «L’Empire» von Bruno Dumont an der Berlinale im Februar. Auch die kommen im Verlauf des Jahres ins Kino.
Pionierarbeit: seit fast 25 Jahren
Hat das NIFFF damit seine Pionierfunktion verloren? Im Gegenteil. Die Gründerinnen waren ihrer Zeit schlicht voraus. Heute sind Genre-Filme und fantastische Geschichten ganz selbstverständlich Teil der Filmkunst.
Vor allem aber ist das NIFFF ein Festival mit einem enthusiastischen, begeisterten Publikum. Und genau das lockt auch immer wieder überraschende Gäste nach Neuenburg.