«Im Westen nichts Neues» ist gewalttätig, dreckig und unheroisch. Die Netflix-Neuverfilmung, die neu in Schweizer Kinos zu sehen ist, spart nicht an expliziten Kriegsszenen. Wer auf Schützengraben-«Romantik» und Heldengeschichten hofft, wird bitter enttäuscht.
Kaum im Leben, schon im Krieg
Der Film begleitet den jungen Paul Bäumer, der sich durch den Patriotismus seines Lehrers von der Kriegseuphorie anstecken lässt. Er gehört zu einer Gruppe von Soldaten, die im Ersten Weltkrieg an die Westfront geschickt werden.
Doch der Krieg, den sich die jungen Soldaten zunächst als ehrenhaftes Abenteuer vorstellen, zeigt schnell und unverblümt seine grausame Fratze. Die tödliche Realität ist: Pauls Kameraden sterben. Und sie selbst müssen töten.
Historischer Erfolgsroman
«Im Westen nichts Neues» ist eine Adaption des gleichnamigen, 1928 von Erich Maria Remarque verfassten Romans. Eine erste erfolgreiche Verfilmung gab es bereits 1930 mit der US-amerikanischen Produktion «All Quiet on the Western Front».
Obwohl es sich bei dem Buch um einen deutschen Literaturklassiker handelt, ist die jüngste Filmadaption die erste aus Deutschland. Dr. Alexander Honold ist Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Basel. Er hat sich fundiert mit dem Werk Remarques auseinandergesetzt.
Die Frage, wieso es zu keiner früheren deutschen Verfilmung kam, sei berechtigt, sagt Honold: «Es hat vielleicht damit zu tun, dass im deutschsprachigen Raum die Debatte um den Ersten Weltkrieg immer von späteren Ereignissen überdeckt wurde, vom Aufstieg der Nazis, dem Zweiten Weltkrieg und natürlich dem Holocaust.»
Menschenleben zählen nichts
Bekannt ist «Im Westen nichts Neues» als das Antikriegswerk schlechthin. Die Botschaft: Der Krieg bringt keine Helden hervor, nur Tod und Vernichtung. Für Honold geben der Roman und die Filme im Hinblick auf das Heldentum eine klare Antwort: «Das einzelne Menschenleben zählt nichts. Es wird ausgelöscht und in der Gesamtbilanz nicht geachtet.»
Der deutsche Regisseur Edward Berger fügte seiner Neuverfilmung eine weitere Ebene hinzu. Er zeigt die Bestrebungen des Politikers Matthias Erzberger, gespielt von Daniel Brühl («Good Bye, Lenin!»), einen Waffenstillstand und das Ende des Krieges zu verhandeln.
Nichts für schwache Nerven
Dank der schauspielerischen Leistung des österreichischen Hauptdarstellers Felix Kammerer taucht man tief in das Grauen des Schützengrabens ein. Das Publikum wird geschickt zwischen Kriegseuphorie und harter Ernüchterung geführt.
Der Weg dahin ist mit roher Gewalt gepflastert, die einem mit Hochglanzaufnahmen zugemutet wird. Durch die vielen expliziten Sterbeszenen geht die Antikriegsbotschaft des Filmes etwas verloren. Trotzdem hinterlässt «Im Westen nichts Neues» in Anbetracht des aktuellen Weltgeschehens und des Kriegs in der Ukraine ein bedrückendes Gefühl. Denn die Fragen, die der Film aufwirft, stellen sich uns auch heute wieder.
Kinostart: 13.10.2022, ab 28.10.2022 auf Netflix.