Alexej Nawalny ist gestorben – das bestätigt nach der russischen Gefängnisverwaltung nun auch sein Team. Der bekannte Kremlgegner ist nach den letzten Informationen am 16. Februar verstorben, die genauen Umstände des Todes sind weiterhin unklar.
So spannend wie ein Thriller
Rückblick auf den August 2020: Damals überlebte Nawalny nur knapp einen Nervengiftanschlag. Er warf damals Putin vor, hinter dem Mordanschlag zu stecken. Der US-Dokumentarfilm «Navalny» (2022) deckt den Zeitraum nach Nawalnys Genesung bis und mit seiner Verhaftung ab. Der selbsternannte Korruptionsbekämpfer hatte damals eingewilligt, ein externes Filmteam in seine politischen Aktivitäten einzuweihen.
Kamerascheu war Nawalny nicht: Er selbst hatte aus dem Exil einen Videoblog mit seiner Entourage betrieben. Als dann für «Navalny» ein fremder, kanadischer Dokumentarfilmer vor ihm sass, gab er auch gleich die Regeln durch: «Vergiss den Film, den Du da vorhast. Wir machen stattdessen Film Nummer zwei. Das wird ein Thriller.»
Nawalny versprach nicht zu viel: Entstanden sind 100 spannende Minuten.
Die Show kann beginnen
Der Politiker hatte einen guten Grund, warum er sich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt für ein Projekt hergab, hinter dem Marken wie CNN, HBO und Warner stecken: Er hatte Hinweise darauf, welche Personen hinter seiner Vergiftung stecken könnten. Er wollte diese Spur bis zum Kreml verfolgen – je mehr Zeugen er dafür hatte, desto besser.
Nawalny war allerdings zu diesem Zeitpunkt kein verbittert-rachedurstiger Staatsgegner, sondern ein Showman, ein Entertainer. Er hatte Galgenhumor – er lachte über seine eigene Vergiftung – und keiner machte ihm vor, wie man sich wirkungsvoll in Szene setzt.
Für das Publikum bedeutet das: Der Film ist nicht nur temporeich und spannend, sondern – völlig überraschend – auch extrem lustig.
Politik oder Prank?
Der unbestrittene Höhepunkt des Films: Nawalny, wie er sich vor laufender Kamera die Handynummern der Männer geben lässt, die angeblich mit seiner Beseitigung beauftragt waren. Er ruft sie der Reihe nach an und löchert sie mit verstellter Stimme – in der Hoffnung, dass sich einer verplappert.
Ist das nun Weltpolitik oder ein perverser Social-Media-Prank? Beides. Die Dokumentarfilm-Crew hinter «Navalny» hinterfragt zwar kaum, was den Politiker antreibt, mit wem er in der Vergangenheit paktiert hat, worauf er letztlich hinauswill. Aber der Film zeigt eindrücklich und gut nachvollziehbar, wie ein gerissener, todesmutiger Medienprofi funktioniert.
Als sich Nawalny am Schluss des Films von aufgewühlten Passagieren umringt in den Flieger nach Russland setzt – wohl wissend, dass bei seiner Rückkehr aus dem Exil schon am Ankunftsflughafen die Handschellen zuschnappen –, wirkt auch dieser letzte Akt wie eine bombastische Inszenierung.
Es ist der tragische Ausgang des angekündigten Thrillers. Es ist das Ende der Komödie.
Dieser Artikel entstand zum Kinostart des Films im April 2022 und wurde auf die aktuellen Vorkommnisse hin leicht angepasst.