Am Ende von «Nope» fragt man sich: Was habe ich gerade gesehen? War es Horror? Science-Fiction? Absurdes Arthouse-Kino?
Regisseur Jordan Peele nennt sein Werk einen «verrückten Abenteuer-Alien-Film mit schwarzen Menschen». Der Film ist eben vieles.
In Jordan Peeles Filmen geht es dabei nie nur um Grusel und Grauen. Er greift gesellschaftliche Themen auf, etwa den Rassismus und die Klassengegensätze in den USA.
Die Heldinnen und Helden von «Nope», die sich mit einer unheimlichen Bedrohung aus der Luft rumschlagen müssen, sind der afroamerikanische Cowboy O.J. Haywood (Daniel Kaluuya) und seine Schwester Emerald (Keke Palmer). Die Geschwister liefern Pferde für Hollywood. Das macht die Familie, seitdem die Bilder laufen lernten.
Afroamerikanischer Cowboy, Filmindustrie – allein mit diesen wenigen Informationen ahnt man: Jordan Peele hat einen Film über Hollywood gedreht.
Rassismus in der Traumfabrik
Gewissheit hat man, als an einer Zimmerwand das Kinoplakat des 1970er-Westerns «Buck and the Preacher» von und mit Sidney Portier zu sehen ist, einer der ersten Filme mit afroamerikanischen Coltschwingern.
In der Wild-West-Mythologie der Traumfabrik gab es nämlich lange keinen Platz für schwarze Cowboys. Auf diese Tatsache will Regisseur Peele hinweisen. Weil sie in die Köpfe vieler ein verfälschtes Bild der US-Historie gepflanzt hat.
Logisch, dass Peele in «Nope» weisse Schauspielerinnen und Schauspieler nur in Nebenrollen auftreten lässt. Und der, der im Film die Vergangenheit zelebriert, der Inhaber eines Wild-West-Parks, ist eine koreanisch-stämmige Figur namens Rick Park (Steve Yeun).
Spiel mir ein Lied von Morricone
Selbstredend spielt Jordan Peele auch mit den Stilmitteln des Western: John-Fordsche Landschaftsaufnahmen, Einstellungen, die an «Duell um 12 Uhr mittags» erinnern und ein Soundtrack, der nach Ennio Morricone klingt, dem Komponisten von Klassikern wie «Once Upon a Time in The West».
Doch Peele zitiert in seinem «verrückten Abenteuer-Alien-Film» nicht nur die alten Kuhhirtendramen Hollywoods. Wer «Nope» anschaut, wird auch an die Science-Fiction der 1950er mit ihren fliegenden Untertassen oder Steven Spielbergs «Unheimliche Begegnung der dritten Art» erinnert.
Bedrohung vom Himmel
Denn auf der Ranch von O.J. und Emerald Haywood geschehen merkwürdige Dinge: Der Strom fällt aus. Sachen fallen vom Himmel, verletzen ein Pferd, töten den Vater. Die weissen Wolken am blauen Himmel wirken bedrohlich. O. J. sieht etwas Seltsames. Ein UFO? Wer weiss. Sicher ist: Da ist was.
Die Geschwister wollen ein Bild von dem Etwas, um damit Geld zu machen und berühmt zu werden. Natürlich hat sich Peele auch dabei was gedacht.
Inspiriert von Riesenaffen und Dinos
«Ich habe mich von Filmen wie ‹King Kong› und ‹Jurassic Park› inspirieren lassen, die sich mit der menschlichen Sucht nach Spektakel und der Möglichkeit, Geld damit zu verdienen, beschäftigen», erklärt er in einem Interview mit AP News.
«Der Meta-Teil besteht darin, dass man diese Vorstellung kommentiert und gleichzeitig versucht, sie zu nutzen und etwas zu schaffen, bei dem die Leute nicht wegschauen können.»
Die Frage, welchem Genre man «Nope» zuordnen soll, ist dabei am Ende egal. Der «verrückten Abenteuer-Alien-Film» ist vielleicht kein Meisterwerk, aber lustig, spannend, intelligent und seltsam. Dazu kommt, dass das bedrohliche Ding im Himmel beeindruckend und ungewöhnlich aussieht.