Erinnert sich noch jemand an «Ein Colt für alle Fälle»? Unter diesem Namen flimmerte die US-Action-Serie «The Fall Guy» in den 1980er-Jahren über unsere Bildschirme. Und wer sich durchs Programm deutscher Spartenkanäle zappt, findet sie noch heute: Die immer etwas holprig wirkenden Auftritte von Stuntman Colt, der nach Feierabend als hemdsärmeliger Kopfgeldjäger durch Kalifornien zieht.
So schlecht wie die Serie um Hauptdarsteller Lee Majors gealtert ist, wäre es ein Fehler gewesen, voll auf die Karte Nostalgie zu setzen. Regisseur David Leitch, der einst als Stunt-Double von Brad Pitt in Hollywood Fuss gefasst hatte, wählte darum eine attraktivere Route.
Er inszeniert «The Fall Guy» nicht als rückwärtsgewandtes Remake, sondern als zeitgeistigen Reboot. Als Screwball-Komödie, die mit Ryan Gosling («Barbie») und Emily Blunt («Oppenheimer») im ersten Jahr nach «Barbenheimer» kräftig von dessen Erfolg zehren dürfte.
Tiefer Fall von Wolke 7
«The Fall Guy» beginnt auf einem Filmset, auf dem die Funken sprühen: Bevor Stuntman Colt Seavers (Ryan Gosling) für Action-Star Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson) in die Tiefe stürzt, flirtet er heftig mit Kamerafrau Jody Moreno (Emily Blunt). Die Turteltäubchen planen via Funkverbindung bereits das gemeinsame Abendprogramm mit Spicy Margeritas.
Doch dann misslingt der Stunt und statt am Strand mit der Angebeteten findet sich Colt schwerverletzt in der Klinik wieder. Aus dem unbeschwerten Draufgänger ist ein gebrochener Mann geworden, der alles auf Eis legt: die Knochen, die Karriere, die Liebe.
Anderthalb Jahre ziehen ins Land, bevor sich Colt – motiviert vom Jodys Aufstieg in Hollywood – zu einem Comeback durchringt. Erneut soll er für Tom Ryder seine Knochen hinhalten, doch diesmal unter der Regie seiner Verflossenen Jody Moreno …
Ode an die selten besungene Stunt-Community
Die Arbeit von Stuntleuten sollte als Kunsthandwerk verstanden werden. Doch nur wenige Regisseure zollen ihr so viel Respekt wie David Leitch, der Actionkracher wie «John Wick» schuf. «The Fall Guy» ist nichts weniger als Leitchs Liebesbrief an die Branche, welche ihm den Einstieg ins Filmbusiness ermöglicht hat.
Die Stuntkomödie strotzt nur so vor wilden Kampf-Choreos, echten Explosionen und fachmännisch herumwirbelnden Autos. Teufelskerl Logan Holladay stellte mit achteinhalb Überschlägen, die er mit seinem Gefährt hinlegte, sogar einen neuen Weltrekord auf.
Andere Actionszenen, wie ein fast 60 Meter tiefer Fall, wurden von Ryan Gosling höchstpersönlich gemeistert. Nicht schlecht für einen Mann, der an Höhenangst leidet. Zur Höchstform läuft dieser aber auch in «The Fall Guy» immer dann auf, wenn er sein Gespür für Takt und Timing unter Beweis stellen kann. Dem sanften Kanadier genügt oft ein Blick oder eine Geste, um das Publikum mit seinem Charme zu umgarnen.
Rasant, aber weniger romantisch als gewollt
Nur etwas gelingt dem kurzweiligen Film trotz Gosling-Magie nicht: Romantik zu verbreiten. Das liegt einerseits am hochtourigen Takt, der eher zum Mitlachen und Mitfiebern als zum Mitfühlen einlädt; andererseits aber auch an der kalten Chemie zwischen Ryan Gosling und Emily Blunt.
So gut die zwei als cooles Comedy-Gespann harmonieren, so überraschend schlecht funktionieren die beiden als glaubwürdiges Liebespaar. Und das ist für einen Film, der grosse Gefühle wecken will, dann doch etwas ernüchternd.
Kinostart: 1.5.2024