Shayda und ihre Tochter Mona lieben es, zu tanzen. Im Frauenhaus dürfen sie das, ohne Hemmungen oder Kopftuch.
In diesen kargen vier Wänden fühlen sie sich in Sicherheit, auch wenn die Mitbewohnerinnen manchmal nerven und zuweilen durch ihr hirnloses Verhalten die fragile Stabilität der Frauen-Community gefährden.
Shayda liebt ihre iranische Heimat und pflegt mit ihrer Tochter Traditionen so zugewandt und liebevoll, wie sie die Kresse-Keimlinge hegt, die im Begriff sind, auf dem Fensterbrett des Übergangsasyls erste Wurzeln zu schlagen.
Flucht vor dem gewalttätigen Ehemann
Hierher mussten Shayda und Tochter Mona vor Ehemann und Vater Hossein flüchten, der mit der für seine Begriffe zu westlichen Lebensführung Shaydas nicht einverstanden ist und dies mit brutaler körperlicher und perfider psychischer Gewalt ausdrückt.
Hossein studiert in Australien Medizin und möchte danach mit seiner Familie wieder in den Iran zurückkehren. Shayda möchte das nicht.
«Shayda» zeigt auf unspektakuläre, aber eindrückliche Weise, wie die ständige Angst vor patriarchaler Gewalt und Unterdrückung selbst tausende Kilometer fern der Heimat Realität bleiben kann.
Die iranische Gemeinde in Australien ist übersichtlich und verschworen. Wenn sich eine Frau behaupten will, wird sie zur Aussätzigen. So fühlt sich Shayda immer und überall beobachtet, manchmal zu Recht, manchmal ist es Einbildung aus purer Angst.
Der Film spielt im Jahr 1995 und ist inspiriert von Regisseurin Noora Niasaris eigener Kindheit, als sie in einem Zufluchtsort in Brisbane lebte.
Finsteres Kammerspiel
Die Regisseurin fokussiert konsequent auf das Innenleben ihrer Charaktere und erweckt dadurch zuweilen den Anschein eines finsteren Kammerspiels.
Ein Ausflug in den lokalen Supermarkt zeigt, dass das zerrüttete Leben von Shayda einem Eiertanz gleichkommt. Aus Angst davor, von ihrem gewalttätigen Mann aufgespürt zu werden, schützt sie sich mit Hut und Sonnenbrille – selbst die Frisur hat sie geändert.
Wahllos packt sie dieses und jenes in den Einkaufskorb, will möglichst schnell wieder raus. Als die nette Verkäuferin an der Kasse sie trotz Brille und Hut problemlos erkennt, wird man zur Beobachterin des innerlichen Zusammenbruchs Shaydas. Entfliehen ist unmöglich.
Selbst die Mutter sieht es nicht so eng
Immer wieder gelingt es Noora Niasari, die ganze Wucht dieses Dramas in scheinbar kleinen Momenten zu erzählen. Zum Beispiel, als Shayda einen Anruf von ihrer Mutter bekommt: Diese fordert sie auf, Hossein noch eine Chance zu geben. «Wenigstens ist er ein guter Vater», meint sie und erinnert Shayda daran, dass «er bald Arzt wird.»
Diese schmerzlich nachklingende Szene wirft die Frage auf: Wie oft wird Missbrauch ignoriert, selbst von den eigenen Liebsten? Trotz aller Widerstände wächst in Shayda der Wunsch nach Unabhängigkeit weiter, so wie die Keimlinge auf dem Fensterbrett zusehends zu kraftvollen Pflanzen gedeihen.
Shaydas Kampf um Selbstbestimmung im australischen Nirgendwo steht für den Freiheitskampf iranischer Frauen auf der ganzen Welt. Wie schwer er in ihrer Heimat Iran sein muss, lässt dieses sehenswerte Drama nur erahnen.