- Natalie Portman bereut es, Roman Polanski einst unterstützt zu haben.
- Die #MeToo-Debatte erhöht den Druck auf den Starregisseur.
- Die Kontroverse um Polanski begann bereits 1977.
Es ist erst ein paar Monate her, seit Roman Polanski in einer schwarzen Limousine am Zurich Film Festival vorfuhr. Der 84-Jährige durfte seinen neuen Film «D’après une histoire vraie» präsentieren. Keine 24 Stunden später redete niemand mehr von dem Drama, in dem zwei Frauen einen Machtkampf austragen.
Denn der Regisseur sah sich mit einem neuen Missbrauchsvorwurf konfrontiert: Die deutsche Schauspielerin Renate Langer zeigte Polanski in St. Gallen an, weil er sie 1972 in Gstaad vergewaltigt habe. Sie wäre damals erst 15 Jahre alt gewesen. Langer ist die vierte Frau, die Polanski vorwirft, sie als Minderjährige sexuell missbraucht zu haben.
Kontroverse um Polanski
Natürlich ging eine Diskussion los: Langer wäre doch bloss eine erfolglose Schauspielerin, die sich über den Namen Polanski profilieren wolle, sagten einige. Andere Stimmen fanden, jetzt wäre aber genug, man müsse Polanskis Filme boykottieren. Einge taten das dann auch. Vor der französischen Cinemathek in Paris protestierten Frauenrechtler im November 2017 gegen eine Retrospektive des Regisseurs, sprachen von einer «Kultur der Straffreiheit männlicher Gewalt».
40 Jahre – ein Verfahren
Die Kontroverse um Polanski ist alt. Seit vier Jahrzehnten läuft ein Verfahren gegen den Regisseur in den USA. Wegen sexuellen Missbrauchs der 13-jährigen Samantha Gailey. 1977 hatte Polanski unerlaubten Sex mit dem Mädchen zugegeben, sich vor der Verkündung des Strafmasses aber nach Paris abgesetzt.
Unterstützung für Polanski
Polanski erhielt lange breite Unterstützung. In einem kürzlich aufgetauchten Radiointerview von 2003 sagte Regisseur Quentin Tarantino über Polanskis minderjähriges Opfer Samantha Gailey sogar: «Sie wollte es doch.» Der Aufschrei in der Öffentlichkeit war verständlicherweise gross, Tarantino musste sich vor ein paar Tagen für diese Äusserung entschuldigen.
#MeToo-Debatte
Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen Hollywood-Produzent Harvey Weinstein haben sich zahlreiche seiner Opfer und deren Sympathisanten in der #MeToo-Bewegung solidarisiert. Deshalb weht nun auch Polanski ein rauerer Wind entgegen. Zuletzt blies ihm Hollywoodstar Natalie Portman den Marsch. Und das hat etwas mit Zürich zu tun.
Portman vs. Polanski
Im Herbst 2009 wurde Polanski von der Schweizer Polizei verhaftet. Wegen eines Haftbefehls aus den USA. Es folgten zwei Monate Haft und sieben Monate Hausarrest. 100 Mitglieder der Filmindustrie unterzeichneten eine Petition, die die Freilassung des umstrittenen Regisseurs forderte.
Zu den Mitunterzeichnern gehörten pikanterweise Brett Ratner und Woody Allen, denen mittlerweile ebenfalls sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Auch Natalie Portman, die sich heute stark in der #MeToo- und Time's-Up-Bewegung engagiert, unterschrieb damals. In einem «Buzzfeed»-Interview wurde sie jetzt darauf angesprochen. Die Schauspielerin sagte, dass sie es heute bereue, die Petition unterzeichnet zu haben. Sie habe zu wenig darüber nachgedacht.
Trotzdem reagiert die Filmbranche im Fall Polanski zögerlich. So kontaktierte die «The Guardian»-Journalistin Hadley Freeman in diesem Jahr diverse Schauspielerinnen und Schauspieler, die mit dem mutmasslichen Vergewaltiger gearbeitet haben. Sie wollte wissen, was die Filmschaffenden heute von dem Regisseur denken, fragte nach und bekam keine Antwort.
Polanskis Wahrheit?
Polanskis neuster Film heisst «D’après une histoire vraie» – «Nach einer wahren Geschichte». Die einzige wahre Geschichte, die derzeit jedoch interessiert, wäre jene von ihm selbst. Die blieb er indes bis jetzt schuldig. Die Frage ist also berechtigt: Soll man Polanski im Kino boykottieren?