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Hayao Miyazakis neuer Anime-Film «The Boy and the Heron»
Aus Kultur-Aktualität vom 26.11.2023. Bild: © Frenetic Films AG
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Neu im Kino «The Boy and the Heron»: Ein neues Meisterwerk von Hayao Miyazaki

Der 82-jährige Ghibli-Gründer hat seinen vielleicht persönlichsten Film gemacht: eine versponnen fantastische Reflexion über Leben und Tod, über Existenz und Zeit.

Der Schuljunge Mahito muss miterleben, wie seine Mutter im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff auf Tokyo ums Leben kommt. Ein Jahr später zieht er aufs Land in eine prächtige Villa – sein Vater (ein Flugzeugingenieur) hat die jüngere Schwester der Mutter geheiratet – sie nimmt Mahito liebevoll auf.

Aber Mahito trauert noch, fühlt sich verloren, streift in der Landschaft herum und entdeckt im Wald einen rätselhaften Turm. Ein Graureiher kommt immer wieder zu ihm, klopft an die Fenster und spricht Mahito schliesslich mit Menschenstimme an: Er solle mitkommen, seine Mutter brauche ihn.

Schliesslich macht sich Mahito auf den Weg – mit dem Graureiher und einer alten Haushälterin verschwindet er durch den Turm in eine fantastische Unterwelt.

Alles von Hand gezeichnet

Als Hayao Myiazaki vor neun Jahren seinen letzten Film «The Wind Rises» herausbrachte, verkündete er, dies sei nun sein wirklich letzter Film. Zum Glück brach der Ghibli-Gründer, der einst den Heidi-Trickfilm mitverantwortete, Filme wie «Prinzessin Mononoke» und «Totoro» machte und mit «Chihiros Reise ins Zauberland» 2001 einen Oscar gewann, sein Wort.

Ein älterer Mann mit Brille und Bart schaut nachdenklich. Im Hintergrund eine Zeichentrick-Zeichnung.
Legende: Der japanische Anime-Regisseur, Zeichner, Drehbuchautor und Grafiker Hayao Miyazaki hat 1985 das weltweit bekannte Studio Ghibli mitgegründet. Getty Images/Yamaguchi Haruyoshi/Corbis

So kommen wir nochmals in den Genuss eines Meisterwerks – und wenn dies tatsächlich Miyazakis Schwanengesang sein sollte, dann wäre «The Boy and the Heron» ein würdiger Abschluss des Lebenswerks. Gezeichnet ist auch dieser Film wieder von Hand, die Bildwelten ebenso detailgetreu wie dynamisch.

Im Graureiher versteckt sich ein Gnom

Der meisterhafte Zeichner fährt noch einmal alles auf, was ihn geprägt hat, was ihm wichtig ist, und auch was ihm Freude macht. Er verwebt im Film, der im japanischen Original nach einem Klassiker der japanischen Literatur «Wie lebst du?» heisst, seine eigene Kindheit und vieles aus seinem Lebenswerk, ohne in Nostalgie zu verharren.

Zeichentrickbild, auf dem ein Junge und ein gnomhaftes Wesen zu sehen sind.
Legende: Der Gnom im Reiher: Szene aus dem neuen Anime-Film «The Boy and the Heron» des Meisterregisseurs Hayao Miyazaki. Frenetic Films

Entstanden ist ein zauberhaftes, nicht nur visuell überbordendes Meisterwerk. Allein die Figurenwelt ist wieder einmal grossartig – angefangen beim eleganten Graureiher, der sich als gar nicht so eleganter Gnom entpuppt über eine menschenfressende, faschistische Armee von bunten Sittichen bis hin zu einem Weltenherrscher, der aussieht wie Albert Einstein ...

Japanisches Trauma und Dantes Inferno

Das alles ist in eine versponnene, fantastische Geschichte eingebettet, in der es ums Werden und Vergehen geht, um Über-, Unter- und Zwischenwelten, um Leben und Tod, um Verlust und Heilung. Verstehen kann und muss man das nicht alles auf den ersten Blick – vertraut fühlt sich der Film trotzdem an.

Miyazaki ist in der europäischen Kultur und Geschichte ebenso zu Hause wie in der japanischen Mythologie, es gibt unzählige bildnerische und erzählerische Referenzen: Als Mahito in der Unterwelt ankommt, kommt er zu einer Insel der Toten, die stark an die Toteninsel des Malers Böcklin erinnert.

Die Verweise reichen von Dantes Inferno zu klassischem Science-Fiction-Kino, von japanischer Mythologie bis zur griechischen Sagenwelt. Und unter allem gärt das japanische Trauma des Zweiten Weltkriegs, des Faschismus, der Atombomben.

Zeichentrickszene, bei der ein junge Frau und ein Dutzend alter Frauen mit Besen bewaffnet gezeigt werden.
Legende: «The Boy and the Heron» – ein würdiger Abschluss von Miyazakis Lebenswerk? Frenetic Films

Letztlich aber geht es wie in so vielen Filmen Myiazakis darum, dass ein verlorenes, trauriges Kind Trost, Ablenkung und Heilung findet in einer überbordenden Fantasiewelt. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer mit ihm – alle. Denn (nur) Kinderfilme sind Hayao Miyazakis Werke wirklich nicht.

Kinostart: 23.11.20203

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 23.11.2023, 7:06 Uhr

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