«Wenn Angst einen Geruch hat – wonach riecht sie denn?» Das ist die Frage, die Mirjam von Arx' Dokumentarfilmtitel «The Scent of Fear» aufwirft.
Gestellt wird sie von Schauspielerin Katja Riemann, die dem Film ihre Kommentarstimme leiht – und auch gleich nachhakt: «Was ist Angst? Und warum haben wir solche Angst vor ihr?»
Angst aus der Sicht von Expertinnen und Betroffenen
Um darauf Antworten zu finden, befragt «The Scent of Fear» einerseits Angstforschende und Psychologinnen und Psychologen. Vor allem aber besucht die Schweizer Filmemacherin Mirjam von Arx Menschen, die Angst haben und etwas dagegen tun.
So wie das ältere US-amerikanisches «Prepper»-Ehepaar, die in einem ehemaligen Militärbunker leben, um sich vor eventuell eintretenden Katastrophen schützen. Ob sie dort gut schlafen? Aber ja. Wie Babies! Wenn in der Nacht ein Tornado komme, sei das grossartig, sagen sie. Ihnen passiere ja nichts.
Die Extremreisende Evelyne Binsack hingegen filmt sich selber auf ihrem Solotrip durch die Schneewüste der Arktis. Sie erklärt freimütig, es gehe bei solchen Unternehmungen auch um die Überwindung der eigenen Angst.
Schliesslich habe sie sich das selber eingebrockt, dass sie jetzt bei minus dreissig Grad in der Dunkelheit sitze, nur von dünnem Zeltstoff und einem Warndraht vor hungrigen Eisbären geschützt.
Virtuelle Welten als Gegenpol
Im Kontrast zu diesen Menschen und ihrem realen Angstumfeld setzt Mirjam von Arx die Fachleute in virtuelle, gemalte Kulissen, die sich bei Bedarf in Grafiken und animierte Darstellungen verwandeln.
Das ist das vielleicht überraschendste Gestaltungselement dieses Dokumentarfilms. Es vermeidet die standardisierten «Talking Heads» und ironisiert zugleich die seriösen Erklärbären ein wenig, ohne ihnen ihre Autorität zu nehmen.
Der Unterschied zwischen Angst und Furcht
Den bekannten Zürcher Psychoanalytiker und Satiriker Peter Schneider setzt die gemalte Umgebung neben ein dicke, qualmende, freudianische Zigarre in einem Aschenbecher. An der Wand hängen riesige Rorschachtest-Kleckse.
Oder Joseph LeDoux, der Direktor des Emotional Brain Institutes der New York University, der an einem imposanten gemalten Hörsaaltisch erklärt, dass man im Hinblick auf die Gehirnabläufe zwischen Angst und Furcht unterscheiden könne. Während sich über dem Tisch gleich die Illustrationen formieren.
Angst sei eine unmittelbare Reaktion auf eine mögliche Bedrohung. Anxiety, die Furcht, verdanken wir dem präfrontalen Cortex unseres Gehirns. Denn dort stecke unsere zutiefst menschliche Fähigkeit, eine Vorstellung von Zukunft zu entwickeln und zu gestalten.
Einleuchtend und unterhaltsam
Als Mensch kann man dann wiederum auf diese Zukunftsängste einwirken, wie jene Zürcher Therapiegruppe, welche im Film ein Seminar gegen Spinnen-Phobie absolviert.
Oder der junge Koreaner, der sich zusammen mit anderen in einen Sarg legt, um seine Lebens- und Todesangst zu meistern.
«Das einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.» Dieses Roosevelt-Zitat war der Arbeitstitel von Mirjam von Arx' Konzept, mit dem sie den 2017 den Migros Kulturprozent-Dokumentarfilmprojektwettbewerb gewann. Nun, drei Jahre später, ist der Film fertig.
Einleuchtend, unterhaltsam und sehr alltagstauglich. Hilfreich und tröstlich, ohne dafür bahnbrechende neue Erkenntnisse zu vermitteln.
Kinostart: 20.5.2021