«The Whale» von Darren Aronofsky gewann gleich zwei Oscars: Brendan Fraser, von dem man glaubte, er habe die erfolgreichsten Jahre hinter sich, wurde zum besten Hauptdarsteller gekürt. Für seine aufwendige Verwandlung in den stark übergewichtigen Charlie gab es den Academy Award für «bestes Make-up».
Sinkflug eines Sexsymbols
Um die Jahrtausendwende war Fraser ein Sexsymbol. Der athletische Schauspieler hatte sich als Steinzeitmensch («Encino Man» 1992) und Tarzan-Verschnitt («George of the Jungle», 1997) einen Namen gemacht.
Dann kamen die ersten beiden Reboot-Filme des Universal-Monsters «The Mummy» von 1999 und 2001, in denen Fraser als nicht allzu heller, aber appetitlicher und zuverlässiger Rick O’Connell der schönen Engländerin Evelyn Carnahan (Rachel Weisz) zur Seite stand.
Brendan Fraser war ein Star zum Anfassen, ein sympathischer Hulk. Aber in den Nullerjahren kam der Sinkflug. Unzählige Stunt-Verletzungen zwangen ihn zu Pausen. Depressionen sorgten dafür, dass er immer weniger Rollen bekam.
Vom «Wrestler» zum «Whale»
Damals lebte und arbeitete seine Mummy-Partnerin Rachel Weisz (heute verheiratet mit Daniel Craig) mit dem eigenwilligen New Yorker Filmemacher Darren Aronofsky. Aronofsky hatte 2008 dem abgestürzten Mickey Rourke mit «The Wrestler» ein grandioses, wenn auch nicht nachhaltiges Comeback verschafft.
Nun hat sich dieser Effekt wiederholt. Aronofsky hatte lange nach einem Hauptdarsteller für die Verfilmung eines preisgekrönten Bühnendramas von Samuel D. Hunter gesucht.
Wer konnte glaubwürdig und anrührend den adipösen Charlie spielen, die 300 Kilo schwere Figur im Zentrum von «The Whale»?
Gutmütig und verloren
Der einstige Lehrer für Literatur hängt in seiner dunklen Wohnung im Sofa wie ein grotesker, gestrandeter Wal. Ohne Rollator schafft er es weder zur Toilette noch ins Schlafzimmer. Charlie hat sich gehen lassen. Seit sich sein geliebter Partner vor ein paar Jahren umgebracht hat, frisst er sich zu Tode.
Seine Frau und die damals acht Jahre alte Tochter hatte Charlie verlassen, als er sich unsterblich in seinen Studenten verliebte. Jetzt, Jahre später, will die Teenager-Tochter nichts von den verzweifelten Wiedergutmachungsversuchen des Vaters wissen.
Brendan Fraser sah das Potenzial der Rolle, Aronofsky das des Schauspielers.
Überzeugende Leistung im Fatsuit
Das Make-up-Team um Adrien Morot (bekannt für die «X-Men»-Filme oder die Roboter-Puppe in «M3GAN») verpackte den Schauspieler überzeugend in einen massiven «Fatsuit». Da konnte selbst die unausweichliche Kontroverse um dünne Schauspieler in dicken Rollen weder die Nomination noch den Oscar verhindern.
Regisseur Darren Aronofsky hat ein Faible für düstere, ja deprimierende Geschichten, stets metaphorisch überhöht und meist höllisch bildgewaltig. Bei «The Whale» allerdings beisst sich die literarische Metaphorik des Bühnenstücks mit dem filmischen Realismus der Inszenierung.
Dafür schafft es Brendan Fraser mit wenig mehr als seiner Stimme und dem Blick seiner grossen blauen Augen aus den Schichten des Make-ups und des Fettanzuges heraus, einen Charlie zu erschaffen, der einem ans Herz wächst.
«The Whale» ist wie alle Aronofsky-Filme eine deprimierende Angelegenheit. Aber die Kombination der Film-Story mit der Oscar-Geschichte vom Comeback des charismatischen Hauptdarstellers hat sich als unwiderstehlich erwiesen.
Kinostart «The Whale»: 16. März 2023