Es ist kein Zufall, dass die Protagonistin Romy (Nicole Kidman) CEO einer Firma für Lagerhaus-Automatisierung ist. Auch in ihrem Leben geht es vor allem um Effizienz und Präzision. Nach dem durchgetakteten Arbeitstag geht es zur Botox-Behandlung, dann ins Penthouse in der Stadt oder ins Haus auf dem Land.
Doch unter der roboterhaften Fassade lauert eine Sehnsucht nach Kontrollverlust. Dass sie der Sex mit ihrem liebevollen Ehemann noch nie befriedigt hat, kann sie ihm nicht sagen.
Harris Dickinson als perfektes Mysterium
Ihre unterdrückten sexuellen Fantasien spürt ausgerechnet einer der neuen Praktikanten, Samuel, in ihrer Firma. Bei einem ersten Aufeinandertreffen sagt er ihr, sie solle nicht so viel Kaffee trinken, beim Mentoratsgespräch fragt er sie frech, ob sie eine machthungrige Persönlichkeit sei.
Trotz der offensichtlichen Grenzüberschreitungen – beziehungsweise genau wegen dieser – fühlt sich Romy unkontrollierbar zu ihm hingezogen.
Woher dieser junge Mann, gespielt von Harris Dickinson, kommt und warum er so unverschämt selbstbewusst auftritt, wird nicht erklärt. Er ist so mysteriös, dass man sich zeitweise sogar fragt, ob er vielleicht nur Romys Fantasievorstellung ist. Diese Rätselhaftigkeit könnte aufgesetzt oder unglaubwürdig wirken. Dank Dickinsons faszinierender Performance bleibt sie jedoch nuanciert und ambivalent.
Lustvoll-gefährliche Machtspiele
Die beiden beginnen eine Affäre, in der sich Romy von Samuel auf unterschiedlichste Weise erniedrigen lässt. Diese Spielchen folgen nicht nur üblichen SM-Klischees. Die Grenzen müssen noch ausgelotet werden.
Dabei sind die stärksten Szenen die, die ohne Worte auskommen, in denen sich Samuels Machtdemonstrationen in kleinen Handlungen zeigen. Oder die, die humorvoll sind, wie wenn er Romy ein Glas Milch bestellt und sie es vor ihren Kollegen in einer Bar leertrinken muss.
Romy und Samuels Spielchen sind deshalb so aufregend, weil sie auf den Machtstrukturen basieren, in denen sie sich in ihrem Leben befinden. Romy ist wohlhabend und älter als Samuel, steht als Chefin über ihm. Samuel ist ein gutaussehender Mann mit dem Kapital der Jugend. Und: Er könnte Romys Leben zerstören – «mit nur einem Anruf», wie er sagt.
Diese latente Gefahr ist es, die den Reiz ihrer Affäre für Romy ausmacht – und «Babygirl» zum gelungenen Comeback des Erotikthrillers der 80er- und 90er-Jahre macht.
Was ist die Message?
Die erfolgreiche, mächtige Frau, die heimlich im Bett dominiert werden will, die aalglatte Fassade, unter der sich dunkle Sehnsüchte verbergen – gleich mehrere Klischees werden im Film bedient. «Babygirl» geht immer selbstreflektiert mit ihnen um. Schliesslich erleben wir das Geschehen nur aus Romys Perspektive. Der «male gaze» auf die Figur ist damit schonmal umgangen.
«Babygirl» ist eine Untersuchung von Machtstrukturen, Sexualität und Geschlechterrollen. Doch was das Ergebnis dieser Untersuchung ist, bleibt diffus. Sind Romys Fantasien psychologisch bedingt, gesellschaftlich geprägt oder doch komplett instinktiv? Der Film macht Andeutungen in alle Richtungen, gibt aber keine definitive Antwort.
So bleibt am Schluss das fade Gefühl, dass «Babygirl» doch vor allem ein heisser Film ist, der von der Chemie seiner Hauptfiguren lebt. Wer mit der erotischen Komponente ihrer SM-Praktiken nichts anfangen kann, wird aber auch das kaltlassen.
Kinostart: 30. Januar 2025