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Netflix-Doku über die Seitensprungplattform «Ashley Madison»
Aus Audio Aktuell SRF 3 vom 05.06.2024. Bild: Netflix
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 23 Sekunden.

Neu im Stream «Ashley Madison»: Wenn der Seitensprung kein Geheimnis mehr ist

Die US-Fremdgehplattform «Ashley Madison» versicherte ihren Kunden totale Sicherheit und Diskretion. Ein leeres Versprechen, wie die Netflix-Doku-Serie «Ashley Madison: Sex, Lügen und der Skandal» zeigt. Denn Hacker klauten und veröffentlichten die Kunden-Daten.

Seitensprünge und Verbrechen – das ist die Kombo, aus der die neue dreiteilige Doku «Ashley Madison: Sex, Lügen und der Skandal» besteht. Die ist weltweit weit vorne in den Netflix-Charts.

Es ist ein faszinierender und manchmal amüsanter Mix aus Mediengeschichte und True Crime. Im Zentrum steht «Ashley Madison», eine Dating-Seite, die 2002 gegründet wurde und sich an Verheiratete richtete. Es war eine Fremdgehplattform.

Ein übergewichtiger Mann mit grosser Brille und Hawaii-Hemd.
Legende: Evan Back war stellvertretender Vertriebschef bei «Ashley Madison». Er liefert viele Einblicke die Praktiken der Fremdgehplattform. Netflix

Die Aufregung in den christlichen USA war gross. Rief doch «Ashley Madison» dazu auf, gleich gegen zwei der zehn Gebote zu verstossen.

Das Motto der Fremdgehplattform lautete: «Life is Short. Have an affair», zu Deutsch: Das Leben ist kurz. Gönn dir eine Affäre. Die Werbung der Plattform war so sexy und eindeutig, dass kein grösserer US-Sender sie zeigen wollte.

Doch je mehr sich empörten, desto mehr meldeten sich an. 2015 gab es über 30 Millionen Mitglieder in mehreren Ländern. Wiederholt wird in der Doku-Serie die alte Medienweisheit zitiert, dass es egal ist, ob über jemanden gut oder schlecht berichtet wird. Hauptsache es wird über einen gesprochen.

Biderman als Brandstifter

Der damalige Chef Noel Biderman tingelte deshalb durch die US-amerikanischen Talkshows, verkaufte sein Produkt als Rettung für viele Ehen. Sex und Ehe wären völlig unterschiedliche Sachen, versicherte er immer wieder. Die verstörten Reaktionen der TV-Hosts sind amüsant anzusehen.

Ein Mann in einem Bett
Legende: Noel Biderman, der ehemalige Chef von «Ashley Madison», wollte kein Interview für die Doku-Reihe geben. In der Doku sind daher nur Archivaufnahmen zu sehen. Imago/Stella Pictures

«Ashley Madison» war Fremdgehen leichtgemacht: anmelden, zahlen, suchen und Kontakt aufnehmen. Alles sicher und diskret, versprachen die Betreiber damals. Ab sicher war nichts, zeigt die Doku-Serie. Die Betreiber hofften einfach, dass alles gut ging. Aber das tat es nicht.

Der grosse Datendiebstahl

Die Fremdgehplattform wurde 2015 gehackt. Die Täter, die sich «Impact Team» nannten und bis heute nicht ermittelt worden sind, drohten: «Schaltet die Website ab oder wir veröffentlichen die Daten der Kunden und Kundinnen.»

Video
Aus dem Archiv: Seitensprung-Portal gehackt
Aus Tagesschau vom 21.07.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute.

Natürlich wurde «Ashley Madison» nicht runtergenommen. Daraufhin veröffentlichte das Impact Team die Namen und sexuellen Fantasien von mehreren Millionen Menschen.

Öffentlich blossgestellt

Die Boulevardmedien stürzten sich auf die Mitglieder. Für die war der Datendiebstahl oft eine Katastrophe. Tragisch das Schicksal von John Gibson: Der Pastor und Professor aus New Orleans brachte sich um, nachdem seine Vorgesetzen herausgefunden hatten, dass er auf «Ashley Madison» gewesen war.

«Ashley Madison» und die Schweiz

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Legende: Keystone

«Ashley Madison: Sex, Lügen und der Skandal» fokussiert auf die USA und Kanada, wo die Betreiberfirma ihren Sitz hatte. Aber auch die Schweiz war von den Veröffentlichungen betroffen.

200'000 Mitglieder soll es gegeben haben. Laut watson.ch wurden über 165'000 Schweizer Email-Adressen in den Daten gefunden. Darunter pikanterweise auch welche aus der Bundesverwaltung.

«Ashley Madison: Sex, Lügen und der Skandal» ist eine typische US-Doku-Serie. Routiniert, glatt und unterhaltend. Chronologisch geht es in knapp drei Stunden von der Gründung des Fremdgehportals bis zu den Folgen des Datenklaus. Sie zeigt die scheinheilige Moral der Macher, mancher Medien und Mitglieder.

Mit einer gewissen Schadenfreude werden die Erkenntnisse des Skandals erzählt: Dass es zu wenig Kundinnen gab und deshalb gefälschte Profile von Frauen und Bots eingesetzt wurden, um Männer anzulocken. Dass die Betreiber anfangs versuchten, den Datendiebstahl geheim zu halten.

Aber die erstaunlichste Erkenntnis ist eigentlich eine andere: Es gibt «Ashley Madison» trotz des Skandals noch. Laut der Betreiber gibt es aktuell 70 Millionen Mitglieder in 50 Ländern. Auch in der Schweiz.

SRF 3, 05.06.2024, 13.45 Uhr

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