Seitensprünge und Verbrechen – das ist die Kombo, aus der die neue dreiteilige Doku «Ashley Madison: Sex, Lügen und der Skandal» besteht. Die ist weltweit weit vorne in den Netflix-Charts.
Es ist ein faszinierender und manchmal amüsanter Mix aus Mediengeschichte und True Crime. Im Zentrum steht «Ashley Madison», eine Dating-Seite, die 2002 gegründet wurde und sich an Verheiratete richtete. Es war eine Fremdgehplattform.
Die Aufregung in den christlichen USA war gross. Rief doch «Ashley Madison» dazu auf, gleich gegen zwei der zehn Gebote zu verstossen.
Das Motto der Fremdgehplattform lautete: «Life is Short. Have an affair», zu Deutsch: Das Leben ist kurz. Gönn dir eine Affäre. Die Werbung der Plattform war so sexy und eindeutig, dass kein grösserer US-Sender sie zeigen wollte.
Doch je mehr sich empörten, desto mehr meldeten sich an. 2015 gab es über 30 Millionen Mitglieder in mehreren Ländern. Wiederholt wird in der Doku-Serie die alte Medienweisheit zitiert, dass es egal ist, ob über jemanden gut oder schlecht berichtet wird. Hauptsache es wird über einen gesprochen.
Biderman als Brandstifter
Der damalige Chef Noel Biderman tingelte deshalb durch die US-amerikanischen Talkshows, verkaufte sein Produkt als Rettung für viele Ehen. Sex und Ehe wären völlig unterschiedliche Sachen, versicherte er immer wieder. Die verstörten Reaktionen der TV-Hosts sind amüsant anzusehen.
«Ashley Madison» war Fremdgehen leichtgemacht: anmelden, zahlen, suchen und Kontakt aufnehmen. Alles sicher und diskret, versprachen die Betreiber damals. Ab sicher war nichts, zeigt die Doku-Serie. Die Betreiber hofften einfach, dass alles gut ging. Aber das tat es nicht.
Der grosse Datendiebstahl
Die Fremdgehplattform wurde 2015 gehackt. Die Täter, die sich «Impact Team» nannten und bis heute nicht ermittelt worden sind, drohten: «Schaltet die Website ab oder wir veröffentlichen die Daten der Kunden und Kundinnen.»
Natürlich wurde «Ashley Madison» nicht runtergenommen. Daraufhin veröffentlichte das Impact Team die Namen und sexuellen Fantasien von mehreren Millionen Menschen.
Öffentlich blossgestellt
Die Boulevardmedien stürzten sich auf die Mitglieder. Für die war der Datendiebstahl oft eine Katastrophe. Tragisch das Schicksal von John Gibson: Der Pastor und Professor aus New Orleans brachte sich um, nachdem seine Vorgesetzen herausgefunden hatten, dass er auf «Ashley Madison» gewesen war.
«Ashley Madison: Sex, Lügen und der Skandal» ist eine typische US-Doku-Serie. Routiniert, glatt und unterhaltend. Chronologisch geht es in knapp drei Stunden von der Gründung des Fremdgehportals bis zu den Folgen des Datenklaus. Sie zeigt die scheinheilige Moral der Macher, mancher Medien und Mitglieder.
Mit einer gewissen Schadenfreude werden die Erkenntnisse des Skandals erzählt: Dass es zu wenig Kundinnen gab und deshalb gefälschte Profile von Frauen und Bots eingesetzt wurden, um Männer anzulocken. Dass die Betreiber anfangs versuchten, den Datendiebstahl geheim zu halten.
Aber die erstaunlichste Erkenntnis ist eigentlich eine andere: Es gibt «Ashley Madison» trotz des Skandals noch. Laut der Betreiber gibt es aktuell 70 Millionen Mitglieder in 50 Ländern. Auch in der Schweiz.