Wann immer es im Internet um Sex oder Liebe geht, laufen wir in Gefahr, einen Bot anzumachen. Das ist die Erkenntnis aus dem Ashley-Madison-Skandal. Weil das Seitensprungportal wenige weibliche Mitglieder hatte, flirteten systematisch Chat-Bots mit Männern. Der Anbieter hatte quasi am Fliessband weibliche Fake-Profile erfunden.
Lovoo: Geld bezahlen, um dann Bots zu sehen?
Denselben Vorwurf macht die Computerzeitschrift c't der deutschen Flirt-Site Lovoo. Vor einigen Wochen durchsuchten Polizisten in Sachsen deshalb im Rahmen von Ermittlungen 16 Objekte, darunter die Lovoo-Geschäftsräume in Dresden, Berlin und Privatwohnungen.
Noch ist der Vorwurf nicht erhärtet. Glaubt man den vielen Benutzern, die in diesem Forum von «Bot-Erfahrungen» auf Lovoo berichten, scheint er aber nicht ganz unwahrscheinlich.
Wie Tinder funktioniert auch Lovoo mit «Swipen». Der Dienst zeigt dem Benutzer Bilder anderer Nutzer aus der näheren Umgebung an. Bei Gefallen wischt er sie nach rechts – sonst nach links. Wischen sich zwei Nutzer gegenseitig nach rechts, ist das ein «Match» – und der Flirt kann beginnen.
Lovoo geht aber weiter als Tinder und zeigt dem Nutzer auch ohne Match an, wer für ihn gestimmt hat. Allerdings nur mit unscharfen Fotos. Wer mehr sehen und erfahren möchte, muss bezahlen – auch wenn das «freigeschaltete» Profil sich als Chat-Bot herausstellt.
Tinder: Vermeintliche Traumfrauen mit Hintergedanken
Auch bei Tinder gibt es immer wieder Gerüchte, dass nicht alle Profile echt sind, sondern Flirt-Bots sich an den (männlichen) Benutzer heranmachen.
In der Hoffnung, die Liebeshungrigen auf kostenpflichtige Webseiten zu führen und ihnen dort das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Vor allem Cam-Sites, wo Benutzer zum Beispiel Frauen in erotischen Posen und mehr zusehen können, werden routiniert per Chat-Bot beworben. Das Vorgehen der Bots in Frauengestalt ist fast immer dasselbe: Nach einem belanglosen kurzen Flirt folgt irgendwann die Aufforderung, doch einen Link zu klicken, hinter dem noch mehr von der vermeintlichen Traumfrau zu sehen sei. Auch wenn nur wenige, besonders Leichtgläubige, schliesslich ein teures Abonnement für die Cam-Seite abschliessen, lohnt sich das für die Betreiber schon. Denn die Bots können sie fast zum Nulltarif betreiben.
Ausnehmen lassen muss sich aber niemand von einem Bot, denn die Programme sind nicht so clever, als dass wir sie nicht erkennen könnten – jedenfalls im normalen Gespräch.
Beim Flirten kann die Entlarvung schwieriger sein, weil diese Kommunikationsform den Bots besonders zu gute kommt. Beim Flirten ist das oberflächliche und unverbindliche Abtasten des Gegenübers normal.
Wir sind deshalb eher gewillt, die vielen belanglosen, oft auch unzusammenhängenden Fragen zu verzeihen, die ein Bot gerne stellt.
So erkennen wir einen Flirt-Chat-Bot
Wenn die vermeintliche menschliche Gesprächspartnerin (oder auch der Gesprächspartner) folgendes tut, ist Vorsicht geboten:
- Wenn sie im Gespräch immer wieder auf kostenpflichtige Dienste hinweist, die ich aktivieren und kaufen soll
- Wenn sie mir unaufgefordert und unvermittelt einen Link schickt
- Wenn sie mich nach persönlichen finanziellen Informationen fragt, zum Beispiel nach meiner Kreditkartennummer
- Wenn sie verdächtig schnell antwortet
- Wenn sie Antworten wiederholt und auf leicht modifizierte Fragen identische Antworten gibt
- Wenn sie unnatürlich «spricht», zum Beispiel zu geschliffen oder literarisch. Echte Menschen verwenden beim Chatten in der Regel zum Beispiel oft Satz-Fragmente und keine perfekten Textpassagen.
- Wenn sie exzessiv Abkürzungen wie «lol» oder Emojis verwendet
- Wenn sie extra betont oder sich immer wieder entschuldigt, dass sie meine Sprache schlecht spreche. Zum Beispiel «sorry excuse my bad English» oder «musst du entschuldigen bitte mein Deutsch schlecht»
So bringen wir einen Flirt-Chat-Bot zu Fall
Mit folgenden Massnahmen können wir einen Chat-Bot dazu bringen, sich zu «outen»: Wir fokussieren uns auf die «Person», mit der wir sprechen. Da sie nicht existiert, wird der Bot Probleme haben, diesen Charakter glaubhaft und konsistent zu spielen:
Wir stellen ihm Fragen, die kein Mensch stellen würde. Ein Mensch würde irritiert reagieren. Ein Bot weicht aus oder versucht, die Frage zu beantworten.
- «Kann ein Haus eine Banane essen?»
- «Kann eine Holzkiste Tango tanzen?»
Wir stellen Fragen, in denen ein Fehler eingebaut ist. Ein Mensch würde den Fehler wohl erkennen, der Bot aber nicht:
- «Du trinkst gern Kaffee? Dann sicher 'Quöllfrisch'?»
- «Ich liebe die Toskana. Warst du eigentlich schon einmal in Frankreich?»
- Wir benutzen Wörter wie «Ähmmm» oder «Öhhhh». Bots können Füllwörter meistens schlecht verstehen und einordnen und reagieren dann mit Standard-Sätzen wie «erzähle mir mehr davon».
- Wir sind sarkastisch. Sarkasmus ist eine fast unüberwindbare Herausforderung für Bots.
- Wir geben unsinnige Buchstabenkombinationen wie «dassdhfgdsgf» oder «mbnffioidpd» ein. Ein Mensch wird uns fragen, ob etwas mit uns nicht stimmt. Ein Chat-Bot wird ausweichend antworten oder das Thema wechseln, ohne auf das Geschriebene einzugehen. Vorteil dieser Methode: Sollte am anderen Ende nicht wie erwartet ein Chat-Bot sein, können wir uns mit dem Hinweis, wir seien auf der Tastatur ausgerutscht (oder die Katze sei über die Tastatur gelaufen), immer noch elegant aus der Affäre ziehen.