Im Januar 1969 stehen die Beatles am Scheideweg. Paul McCartney, der in den davorliegenden Jahren die Rolle des De-facto-Band-Leaders von John Lennon übernommen hat, versucht, die Begeisterung für die Band bei seinen Kollegen mit einem ambitionierten Projekt neu zu entfachen.
In drei Wochen sollen genug neue Songs für ein Live-Album entstehen. Die Proben sowie der Auftritt werden von einer Film-Crew begleitet – mit dem Ziel, ein TV-Special zu drehen.
Was ab Tag eins der Aufnahmen folgt, als Zangengeburt zu bezeichnen, wäre eine schmeichelhafte Untertreibung sondergleichen.
Unbequeme Fragen
Paul McCartney hadert mit seinem Ruf als Band-Diktator, John Lennon scheint sich nicht allzu sehr für die Trivialitäten des Band-Daseins (Probezeiten, Songwriting etc.) zu interessieren, Ringo Starr wird im Februar ohnehin am Set der Peter-Sellers-Komödie «Magic Christian» erwartet, und George Harrison fühlt sich nicht ausreichend wertgeschätzt.
All dies resultiert in einem Vorfall, der die vier Liverpooler mit unbequemen Fragen konfrontiert: Warum hat es auch schon mehr Spass gemacht, Teil der grössten Band der Welt zu sein? Oder: Inwiefern – falls überhaupt – soll es mit den Beatles weitergehen?
60 Stunden Filmmaterial, von denen bisher nur 80 Minuten öffentlich gezeigt worden waren, standen Regisseur Peter Jackson für «The Beatles: Get Back» zur Verfügung. Daraus hat er drei Teile gemacht mit einer Gesamtlänge von knapp acht Stunden, die nun als Stream bei Disney Plus zu sehen sind.
Eine Laufzeit, die nicht nur der gesamten Beatles-Diskografie Konkurrenz macht, sondern auch der «Lord of the Rings»-Trilogie des Neuseeländers.
Probleme, die jede Schüler-Band kennt
Zu behaupten, dass davon jede Minute unverzichtbar ist, wäre gelogen. Doch gerade indem Jackson viel Zeit damit verbringt, die unproduktiven Phasen eines ohnehin durchzogenen Unterfangens zu zeigen, entmystifiziert er die «Fab Four» auf interessante Art und Weise.
Dass auch die sagenumwobenen Beatles mit trivialen Problemen zu hadern hatten, die jede Schüler-Band kennt, war anzunehmen. Doch ein gutes halbes Jahrhundert der musikkritischen Heiligsprechung hat dafür gesorgt, dass genau dies gerne ausgeblendet wird.
Wie McCartney Lennon zum Verzweifeln bringt, indem er «Let It Be» jedes Mal abbricht, bevor Letzterer seinen ersten Einsatz hat. Oder wenn Ringo Starr verträumt in die Leere starrt, wenn sich seine Kollegen jeweils zu lange über Gitarren-Arrangements unterhalten, denkt man sich bald:
Die Beatles waren auch nur eine Band – etwas legendärer vielleicht als alle anderen, aber auch nur eine Band.
Streaming-Start auf Disney+: 25. November 2021
