Schreiben über die Begegnungen mit einem Schurken: Loki. Kommt eigentlich aus der nordischen Mythologie. Bin ihm schon früh begegnet.
Kennengelernt als Kind, in alten, abgegriffenen Marvel-Superhelden-Comic-Heften vom Flohmarkt. Erschaffen in den 1960ern von Stan Lee, Larry Lieber und Jack Kirby – ein Stück amerikanischer Popkultur.
Einfach böse
In den alten Heften war Loki ein eindimensionaler Superschurke, ein asgardischer Gott und Gestaltenwandler mit magischen Kräften, der einen Helm mit Hörnern trug und nichts anderes wollte als seinen Halbbruder, Donnergott Thor, fertig machen.
Komplexe Sagenfigur
Später natürlich entdeckt, dass es Loki schon lange gibt. Man kennt ihn seit der Wikingerzeit. Gehörte zur Götterwelt der Nordmänner. Ist eine ambivalentere und interessantere Figur als in den Comics. In den alten Sagen wird er als klug, manipulativ und schwer einzuschätzen geschildert.
Blick ins Lexikon
In Rudolf Simeks legendärem Nachschlagewerk «Lexikon der germanischen Mythologie» heisst es: «Loki ist die vielschichtigste, aber auch negativste Gestalt des germanischen Pantheons. Er ist der Vater der Feinde der Götter, der Midgardschlange, des Fenriswolfs und der Hel, aber gerade er hilft den Götter auch aus schwierigen Situationen.»
Neil Gaiman und Loki
Ergänzend dazu: Fantasy-Autor Neil Gaiman («American Gods», «The Sandman») schrieb 2018 in seiner Version der nordischen Mythen: «Loki war nicht böse, obwohl er sicher keine Kraft des Guten war. Loki war... kompliziert.»
Kinoheld
Hatte lange nicht an Loki gedacht: Dann kam 2011. Das Thor-Comic von Marvel verfilmt. Der ewige Bruderzwist war auf der Leinwand gelandet. Spielte fast 450 Millionen Dollar ein. Ein Blockbuster.
Wie in den Comics startete Loki auch im Kino als simpler Schurke.
Unberechenbar
Aber einfach eindimensional wäre für eine solche Figur eine Verschwendung. Begriffen auch die Filmemacher. Er wurde in den Fortsetzungen unberechenbarer, versuchte Götterland Asgard zu beherrschen, half aber gleichzeitig Halbruder Thor gegen einen fiesen Elfen und eine Todesgöttin.
Habe wegen der Filme wieder angefangen ab und zu Marvel-Comics über Loki zu lesen. Auch da war er interessanter geworden.
Loki for President
Highlight: 2016, mitten im US-Präsidentschafts-Wahlkampf, den Donald Trump gewinnen sollte, erschien die Comic-Politsatire «Vote Loki». Loki wollte ins Weisse Haus und verhielt sich viel dreister als Trump. Er machte keinen Hehl daraus, dass er log und die Wähler liebten ihn dafür.
Habe nun die ersten zwei Folgen der neuen Serie über den Gott der Zwietracht gesehen. Inhalt: Eine Organisation, die den Fluss der Zeit schützt, zwingt ihn für sie zu arbeiten.
Der Serienheld
Loki «at his best» – nicht gut, nicht böse, nicht vertrauenswürdig. Erfrischend: Er bekommt in der Serie eine unsichere Seite, nachdem er einen Blick in seine eigene Zukunft werfen konnte. Ein nahezu Unsterblicher hat Angst vor dem Morgen. Interessant.
Genderfluid
Hatte Spass an einer kleinen Sensation: Loki entpuppt sich als der/die erste genderfluide Superheld:in/Superschurke:in in einer Serie.
Eigentlich naheliegend bei einer Figur, die ihre Gestalt verändern kann. Und nicht überraschend, wenn man weiss, dass in den Comics 2008 Loki mal kurzzeitig Lady Loki war.
Zeitgemäss
Denke, die Serie «Loki» hat eines auf jeden Fall geschafft: Dem alten Wikingergott eine neue Facette zu geben und ins 21. Jahrhundert zu holen. Denn was ist heute zeitgemässer als ein Loki, der nicht festgelegt ist auf Mann oder Frau.
Loki, eine geniale Figur, vor Jahrhunderten erdacht und sie funktioniert noch immer.
«Loki», ab dem 09.07.2021 auf Disney+